Der Ölbaum

Kann das Bild vom Ölbaum in Röm 11,17-24 zum Dialog von Juden und Christen beitagen?

Predigttext

Röm 11, 17 Wenn aber nun einige von den Zweigen ausgebrochen wurden und du, der du ein wilder Ölzweig warst, in den Ölbaum eingepfropft worden bist und teilbekommen hast an der Wurzel und dem Saft des Ölbaums, 18 so rühme dich nicht gegenüber den Zweigen. Rühmst du dich aber, so sollst du wissen, dass nicht du die Wurzel trägst, sondern die Wurzel trägt dich. 19 Nun sprichst du: Die Zweige sind ausgebrochen worden, damit ich eingepfropft würde. 20 Ganz recht! Sie wurden ausgebrochen um ihres Unglaubens willen; du aber stehst fest durch den Glauben. Sei nicht stolz, sondern fürchte dich! 21 Hat Gott die natürlichen Zweige nicht verschont, wird er dich doch wohl auch nicht verschonen. 22 Darum sieh die Güte und den Ernst Gottes: den Ernst gegenüber denen, die gefallen sind, die Güte Gottes aber dir gegenüber, sofern du bei seiner Güte bleibst; sonst wirst du auch abgehauen werden. 23 Jene aber, sofern sie nicht im Unglauben bleiben, werden eingepfropft werden; denn Gott kann sie wieder einpfropfen. 24 Denn wenn du aus dem Ölbaum, der von Natur wild war, abgehauen und wider die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft worden bist, wie viel mehr werden die natürlichen Zweige wieder eingepfropft werden in ihren eigenen Ölbaum.

Christentum und Judentum ein kompliziertes Verhältnis?

Verwandt und doch Verschieden

Man ist ja miteinander verwandt

Hat die selben „Wurzeln“.

Hat vieles gemeinsam, z.B. das Alte Testament, die Hoffnung auf den Messiah

Und doch ist man sich irgendwie fremd:

Man spricht über das Selbe, empfindet und denkt aber ganz unterschiedlich

Und nicht zuletzt hat man eine lange schmerzliche Geschichte, die viele unverheilte Wunden zurückgelassen hat.

Die Welt des Neuen Testamentes

Die Welt des neuen Testamentes ist geprägt von Konflikten

Die Evangelien stellen an vielen Stellen die Konflikte Jesu mit den Pharisäern da.

Und zumindest juristisch gesehen, waren die damaligen jüdischen Eliten in Jerusalem mit an der Verurteilung Jesu beteiligt. Formal waren es natürlich die Römer die Jesus verurteilt und und ihn gekreuzigt haben.

Aus der Apostelgeschichte wissen wir, dass die junge Gemeinde in Jerusalem verfolgt worden ist und das es auch immer wieder bei der Mission des Paulus zu Konflikten mit den jeweiligen Synagogengemeinden gekommen ist.

Dann hat sich aber am Ende der Entstehungszeit des NT die Konfliktlinie hin zu dem Konflikt zwischen Christen und römischen Staat verlagert hat.

Auch wenn dann der Konflikt mit den Juden nur noch eine untergeordnete Rolle spielte, so hat sich dieser Konflikt doch in vielen Büchern des NT niedergeschlagen.

2000 Jahre Verfolgungsgeschichte

Nun wurden verschieden Äußerung im NT in der Geschichte immer wieder benutzt um judenfeindliches Verhalten zu legitimieren.

Dies geschah natürlich erst, als die Christen mit der konstantischen Wende im 4Jh auch die politische Macht gewonnen hatten und ihnen die Juden immer wieder schutzlos ausgeliefert waren.

Wohl gemerkt in der Phase des NT, war die politische Macht immer in Jerusalem und auch in den anderen Orten in römischen Händen, die Juden konnten also nicht schalten und walten wie sie wollten.

Die blutige Spur führt von den Judenprogrogromen des Mittelalters bis hin zum Holocaust

Warum? War es eine Art Rache, die die Christen nehmen wollten?

Das hätte Jesus nicht gewollt:

Matt 5,44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen,

War es einfach die Auswüchse einer Gesellschaft, die nach einem Sündenbock suchte und ihn einfach in den Juden fand. Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte und hat es auch andere getroffen.

Aber gerade hier hätten die politischen Verantwortlichen die Schwachen beschützen und für die Einhaltung des Rechts sorgen müssen. Zu mal sie ja Mittelalter vorgaben „von Gottes Gnaden zu regieren“

Schwierige Dialoge

Wo Schuld im Raum steht ist das Verhältnis kompliziert.

Man möchte keine zusätzlichen Verletzungen provozieren.

Nicht alte Wunden neu aufreißen

Kann das Bild vom Ölbaum hier weiterhelfen?

Kann das Bild vom Ölbaum, das Paulus verwendt, das komplizierte Verhältnis entflechten?

Ja und Nein

Das zentrale an dem Bild kommt aus der Obstbauwirtschaft. Es geht um die Veredlung von Bäumen, in dem durch das „aufpfrofen“ von Zweigen ein Baum veredelt oder gezüchtet wird.

Der positive Aspekt des Ölbaums die gemeinsame Wurzel

Er betont die gemeinsame Wurzel

18 so rühme dich nicht gegenüber den Zweigen. Rühmst du dich aber, so sollst du wissen, dass nicht du die Wurzel trägst, sondern die Wurzel trägt dich.

Dieses schöne Bild verhindert also alle Versuche, uns von der Wurzel zu distanzieren.

Etwa auf das Alte Testament zu verzichten

Oder das Christentum arisieren zu wollen.

Wir kommen aus dieser Wurzel

Jesus war Jude und er und das Christentum sind ohne diese Wurzel gar nicht zu verstehen.

Und es lässt uns dankbar darauf blicken, was uns das Judentum alles geschekt hat.

Im Folgenden eine kurze Aufführung, was wir vom Judentum übernommen haben und uns eng mit Ihnen verbindet:

Gesetz und das Alte Testament

Im Evangeliumstext haben wir es gehört

„Es sei den eure Gerechtigkeit sei besser als die der Pharisäer und Schriftgelehrten“

Was gerecht ist, darüber hat das AT unvergleichliche Aussagen gemacht

10 Gebote

Wir sind eine Schriftreligion wie das Judentum und die Christen haben ihre heiligen Schriften im neuen Testament gesammelt.

Die Messiaserwartung

Der Titel Christus, von dem ja unser Name herkommt ist die griechische Übersetzung von Messias, der Gesalbte

Er wird vom Judentum erwartet als ein Nachfahre Davids, der ein ewiges Königtum errichten wird.

Der Gottesdienst

Der Gottesdienst, den wir feiern geht auf den Synagogengottesdienst zurück, mit seinen Lesungen aus der Tora und den Propheten und den weiteren Schriften und einer anschließenden Wortverkündigung

Das Abendmahl

Die Wurzeln des Abendmahls liegen im jüdischen Passafest.

Jesus hat das Abendmahl (je nach Evangelitradition) an Stelle des Passahmal gefeiert

Er selbst ist dabei das Schlachtopfer dessen Blut uns vor der Todesmacht befreit.

Schalom und Lebensfreunde

Nicht zu letzt und wir haben es gerade im Lied gesungen. Der umfassende Friedensbegriff und die bewusst dem Leben zugewandte Einstellung ist ein wichtiges Erbe. Sie wurde in der Geschichte des Christentums oft verdeckt und überlagert, etwas durch die leibfeindliche Einstellung der griechischen Philosophie, mit der sich das Christentum theologisch verbunden hat.

Die schwierige Aspekte des Ölbaums: ausgebrochene Zweige

Die Deutung der ausgebrochenen Zweige

7 Wenn aber nun einige von den Zweigen ausgebrochen wurden

Ausbrechen ist schon was Gewaltsames.

Da wird etwas entfernt.

Aber es wird nicht gesagt wer da ausbricht.

Das Passiv steht in der biblischen Sprache oft für das Wirken Gottes (passivum divinum)

21 Hat Gott die natürlichen Zweige nicht verschont,

Auf keinen Fall ist hier unser aktives Tun damit gemeint.

Das wir das Recht hätten auszubrechen

Sei nicht stolz, sondern fürchte dich! 21 Hat Gott die natürlichen Zweige nicht verschont, wird er dich doch wohl auch nicht verschonen.

Die Perspektive von Jesus - wollte er eine Kirche außerhalb Israels gründen?

Jesus war Jude. Er wollte Israel erneuern. Die Frage ist, ob er schon die Heiden im Blick hatte. An vielen Stellen im NT wird dies deutlich, doch gibt es anderseits Aussagen, dass er seine Mission nur auf Israel begrenzt sah.((am deutlichen wird dies wohl in der Berufung von zwölf Jüngern, die das neue Israel repräsentieren sollten.))

Die Perspektive des Paulus - der Schritt zur Heidenmission

Paulus war wie Jesus Jude. Er hatte in Jerusalem die Thora studiert. Und er hatte beides erlebt.

Er hatte sich wie die Apostelgeschichte an der Verfolgung der christlichen Gemeinden durch die jüdischen Behörden beteiligt

Und er ist dann immer wieder auch Opfer dieser Feindseligkeiten geworden. Es waren die selben Behörden in Jerusalem, die ihn wie Jesus an die Römer überstellten. Nur war er römischer Bürger und konnte nicht so einfach wie Jesus gekreuzigt werden. Deswegen wurde er als Gefangener nach Rom geschickt, wo er dann wahrscheinlich hingerichtet worden ist. Der Legende nach in der ersten großen Christenverfolgung unter Nero.

Paulus erlebt in Antiochien etwas anders, dass auch Heiden zum Glauben an Jesu finden. Und es ist sein theologisches Verdienst, dass das Christentum sich vom Judentum gelöst hat und zu einer Religion von allen Menschen werden konnte.

Wie würden Juden diesen Text verstehen?

Fühlen sie sich als ausgebrochen? Sie sehen sich ja über die Jahrhunderte als mit der Wurzel verbunden und sind hier treu gebliegen durch alle Verfolgungen hindurch.
So vermerkt ein jüdischer Kommentar zu dieser Stelle: Paulus meint mit dem Bild vom Ölbaum nicht Israel, sondern die Gesamtfamilie, aller die zu Gott gehören. Und Paulus sei nicht so zu verstehen, dass nun Christen zu Israel gehören würden.

Unsere Perspektive heute

Wir tun es schwer heute mit diesem „ausgebrochen“ zu leben und es zu deuten. Wir wissen heute um Judenprogromme und Holocaust. Davon wusste Paulus noch nichts.

Egal wie man es dreht und wendet: bleibt es schwierig:

Irrweg Nr 1: Haben wir Menschen die alten Zweige auszubrechen? Das sagt der Paulustext nicht.

Irrweg Nr 2: Aber inwiefern ist das Ausbrechen ein Handeln Gottes, was der Text definitiv sagt.?

20 Ganz recht! Sie wurden ausgebrochen um ihres Unglaubens willen

Dann kommt man schließlich dazu christliches Fehlverhalten gegenüber den Juden als Vollzug des göttlichen Willens abzutun und es dadurch sogar noch zu legitimieren. Ein schrecklicher Gedanke.

An den Grenzen unseres Gottesbildes

Wir kommen letztlich an die Grenzen unseres Gottesbildes.

Wir bringen die passenden Teile nicht zusammen.

Paulus versucht das zwar in diesen Kapitel des Römerbriefes. aber er schließt diesen Abschnitt:

28 Im Blick auf das Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber im Blick auf die Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen. 29 Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen. 30 Denn wie ihr zuvor Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt wegen ihres Ungehorsams, 31 so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen. 32 Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.

33 O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! 34 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen«? 35 Oder»wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass Gott es ihm vergelten müsste«? 36 Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.

Altes und Neues

Aber warum ist dieses Thema Judentum und Israel für uns überhaupt wichtig?

Es geht darum zu klären, was wir Christen Anders oder Neues haben.

Warum behandelt Paulus das Thema Israel

Das ist ja auch das Anliegen des Paulus warum er das Thema behandelt

Wenn Gott so gnädig ist und Jesus Christus für unsere Sünden gestorben ist und dieses Heil allen Menschen gilt, wie Paulus in Röm 1-8 dargestellt hat, warum haben dann die Juden als das auserwählte Volk nicht zum Glauben an den Messias gefunden?

Das ist ihm ein Herzensanliegen. Er versteht nicht, warum da Heil in Jesus Christus, das ihm so wichtig geworden ist nicht auch von seinen Stammensverwandten anerkannt wird.

Das ist ihm eine echte persönliche wie theologische Herausforderung.

Er möchte nun, dass das Heil in Jesus Christus auf keine Weise geschmälert oder verkleinert wird. Deswegen macht er aus seiner Perspektive diesen Vorstoß ins Ungewisse und landet doch dann wieder bei der Unbegreiflichkeit Gottes.

Die Demut der Weintrauben am Weinstock und die Aufgabe des Gärtners

Rühmst du dich aber, so sollst du wissen, dass nicht du die Wurzel trägst, sondern die Wurzel trägt dich.

Wir können uns nicht von der Wurzel lösen.

Wir sind die Reben die am Weinstock - ein altes Bild für Israel - hängen

Und dieser Weisntock Israel hat Jesus hevorgebracht.

Wir haben Jesus

Das muss uns genügen

Wie und wann der Weinstock weiterwächst braucht uns nicht zu kümmern.

Das ist Sache des Weingärtners