Als Gott den Propheten Samuel rief, war eine schlimme Zeit. Pfr. Dr. Martin Burkhardt geht in seiner Predigt über 1.Sam 3,1-8 auf die Frage ein, ob es Parallelen heute gibt und ob wir heute noch auf das Eingreifen Gottes hoffen dürfen.
Predigttext
1.Sam 3,1 Und zu der Zeit, als der Knabe Samuel dem Herrn diente unter Eli, war des Herrn Wort selten, und es gab kaum noch Offenbarung.
2 Und es begab sich zur selben Zeit, dass Eli lag an seinem Ort und seine Augen hatten angefangen, schwach zu werden, sodass er nicht mehr sehen konnte. 3 Die Lampe Gottes war noch nicht verloschen.
Und Samuel hatte sich gelegt im Heiligtum des Herrn, wo die Lade Gottes war. 4 Und der Herr rief Samuel. Er aber antwortete: Siehe, hier bin ich! , 5 und lief zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Er aber sprach: Ich habe nicht gerufen; geh wieder hin und lege dich schlafen. Und er ging hin und legte sich schlafen.
6 Der Herr rief abermals: Samuel! Und Samuel stand auf und ging zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Er aber sprach: Ich habe nicht gerufen, mein Sohn; geh wieder hin und lege dich schlafen. 7 Aber Samuel hatte den Herrn noch nicht erkannt, und des Herrn Wort war ihm noch nicht offenbart.
8 Und der Herr rief Samuel wieder, zum dritten Mal. Und er stand auf und ging zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Da merkte Eli, dass der Herr den Knaben rief, 9 und sprach zu ihm: Geh wieder hin und lege dich schlafen; und wenn du gerufen wirst, so sprich: Rede, Herr, denn dein Knecht hört. Samuel ging hin und legte sich an seinen Ort. 10 Da kam der Herr und trat herzu und rief wie vorher: Samuel, Samuel! Und Samuel sprach: Rede, denn dein Knecht hört.
11 Und der Herr sprach zu Samuel: Siehe, ich werde etwas tun in Israel, wovon jedem, der es hören wird, beide Ohren gellen werden. 12 An dem Tage will ich über Eli kommen lassen, was ich gegen sein Haus geredet habe; ich will es anfangen und vollenden. 13 Denn ich hab’s ihm angesagt, dass ich sein Haus für immer richten will um der Schuld willen, dass er wusste, wie sich seine Söhne schändlich verhielten, und ihnen nicht gewehrt hat. 14 Darum habe ich dem Hause Eli geschworen, dass die Schuld des Hauses Eli nicht gesühnt werden solle, weder mit Schlachtopfern noch mit Speisopfern immerdar.
15 Und Samuel lag bis an den Morgen und tat dann die Türen auf am Hause des Herrn. Samuel aber fürchtete sich, Eli anzusagen, was ihm offenbart worden war. 16 Da rief ihn Eli und sprach: Samuel, mein Sohn! Er antwortete: Siehe, hier bin ich! 17 Er sprach: Was war das für ein Wort, das er dir gesagt hat? Verschweige mir nichts. Gott tue dir dies und das, wenn du mir etwas verschweigst von all den Worten, die er dir gesagt hat. 18 Da sagte ihm Samuel alles und verschwieg ihm nichts. Er aber sprach: Es ist der Herr; er tue, was ihm wohlgefällt.
Damals
Die Frühzeit Israels
Wir tauchen ein in die frühe Zeit des AT.
Bevor es Könige gab.
Bevor David Jerusalem zu seiner Hauptstadt machte.
Das Heiligtum bestand noch aus einer transportablen Stiftshütte, einem Zelt der Beengung.
Eli und seine Söhne
Dort gab es einen Priester Eli und seine Söhne
Aber so erfahren wir aus dem Kontext: Der Vater und die Söhne waren korrupt und Frauen gegenüber übergriffig:
2 Aber die Söhne Elis waren ruchlose Männer; die fragten nichts nach dem Herrn 13 noch danach, was dem Priester zustände vom Volk.
Da heißt sie bedienten sich an den Opfergaben, wie sie wollten
22 Eli aber war sehr alt geworden. Wenn er nun alles erfuhr, was seine Söhne ganz Israel antaten und dass sie bei den Frauen schliefen, die vor der Tür der Stiftshütte dienten,
hat er sie zwar darauf angesprochen, aber heißt lapidar:
Aber sie gehorchten der Stimme ihres Vaters nicht;
Politische Situation
Politisch war es eine schwierige Zeit.
Das Volk Israel musst sich ständig gegen seine Nachbarvölker verteidigen
Es gab aber keine politische Zentralinstanz.
Wenn der Feind anrückte musste man sich erst zusammenraufen.
Gott sei Dank gab es die Richter, die wenigsten eine zeitlang für Ordnung sorgten.
Samuel der Prophet und Richter
In diese Zeit ist Samuel hineingeboren und er ist quasi das Bindeglied zwischen der Zeit der Richter und der Könige.
Samuel war Prophet und Richter in einem.
Er wird später die ersten Könige Saul und David salben.
Die Geschichte seiner Geburt und Kindheit ist herzzerreißend. Seine Mutter kann keine Kinder bekommen und betetet im Heiligtum um ein Kind. Sie wird schwanger und aus Dankbarkeit bringt sie ihm im Kindesalter wieder zurück ins Heiligtum, damit er dort dient.
So lebt Samuel mitten zwischen Eli und seinen schlimmen Söhnen.
Kaum noch Offenbarung
Sam 3,1 Und zu der Zeit, als der Knabe Samuel dem Herrn diente unter Eli, war des Herrn Wort selten, und es gab kaum noch Offenbarung.
Was steckt in diesem Satz nicht alles drin: „Kaum noch Offenbarung“
Politisch führungslos.
Die religiösen Institution korrupt.
Kann da Gott noch etwas tun? Ist nicht alles verloren?
Heute
Ist die Situation heute eine ganz andere?
Nun es gilt der Grundsatz: Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber es tauchen doch wieder die selben Strukturen auf.
Sexueller Missbrauch
Auffällig ist ja der sexuelle Missbrauch, der auch in unseren Tagen eine große Rolle spielt.
Offene Korruption eher nicht
Auffällig ist auch der Umgang mit den Opfergaben. Nun wird sicherlich bei uns alles doppelt und dreifach abgeregnet und überprüft. Ich denke es gibt bei uns in der Kirche so gut wie keine offene Korruption, Gott sei dank - Aber letztlich haben ganz viele Menschen, das Vertrauen verloren, dass ihre Kirchensteuer etwas sinnvolles bewirkt. Deswegen treten sie aus der Kirche aus.
Geistlicher Missbrauch
Vielleicht hängt das ja mit einer anderen Form des Missbrauchs zusammen: des geistlichen Missbrauchs: Geistliche Führungskräfte benützen ihre Macht eben mehr dazu ihre eigene Machtposition zu schützen oder auszubauen, als sie für andere einzusetzen.
Hilflosigkeit
Auffällig ist auch die Hilflosigkeit, damals und heute: Sie wird damals sichtbar in der Hilflosigkeit des alten Elis gegenüber seinen Söhnen und der Schutzlosigkeit Israels gegenüber seinen Nachbarn.
Heute wird diese Hilflosigkeit darin deutlich, dass wir mehr Fragen als gute Antworten haben.
Sowohl politisch als auch kirchlich.
Auch uns fehlt die „Offenbarung“, wie es jetzt eigentlich weitergehen soll.
Und Gott handelt
Damals handelt Gott.
Aber anders als man sich das vorgestellt hat
Gott handelt durch ein Kind
Der Weg über die „Institution“ Priester und seine Söhne ist wegen ihrer Sünden nicht möglich, also sucht sich Gott einen anderen Weg.
Er redet zu einem Kind.
Das erinnert mich ein bißchen an das, was durch die junge Klimaaktivisitn Greta Thunberg angestoßen worden ist. Sie hat wahrscheinlich mehr erreicht, als viele Politiker davor!
Gott spricht uns persönlich an
Und er spricht dieses Kind persönlich an!
4 Und der Herr rief Samuel. Er aber antwortete: Siehe, hier bin ich!
Es war eine Audition. Eine innere Stimme die Samuel gehört hat.
Samuel ist noch unerfahren, er braucht Anleitung
Aber sie war so echt, dass Samuel meint, das Eli ihn gerufen hat und läuft zu Eli.
Und Samuel ganz unerfahren, weiß noch gar nichts damit anzufangen.
7 Aber Samuel hatte den Herrn noch nicht erkannt, und des Herrn Wort war ihm noch nicht offenbart.
Dreimal wiederholt sich das. Bis Eli erkennt,
dass der Herr den Knaben rief,
und gibt ihm entsprechende Anweisungen.
Es ist also gar nicht so einfach Gottes Stimme zu hören, man braucht dazu Anleitung!
Und es braucht auch eine entsprechende Demut und Bereitschaft zu hören:
10 Da kam der Herr und trat herzu und rief wie vorher: Samuel, Samuel! Und Samuel sprach: Rede, denn dein Knecht hört.
Elis tragische Rolle
Und hier erhält Eli eine besonders tragische Rolle: Er führt Samuel in das Hören auf Gott ein. Er selber kann es nicht mehr, wegen seiner Sünden, aber er kann Samuel darin unterrichten.
Er gibt sein Wissen trotz seiner Sünden an die nächste Generation weiter.
Aber es endet für ihn tragisch.
Die Botschaft die Samuel von Gott empfängt ist gegen ihn und seine Söhne gerichtet:
Siehe, ich werde etwas tun in Israel, wovon jedem, der es hören wird, beide Ohren gellen werden. 12 An dem Tage will ich über Eli kommen lassen, was ich gegen sein Haus geredet habe; ich will es anfangen und vollenden.
Gott verkündet Samuel das Gericht und den Untergang von Eli und seinen Söhnen.
Samuel fürchtet sich diese Botschaft auszurichten aber Eli fordert ihn auf und akzeptiert das Urteil:
18 Da sagte ihm Samuel alles und verschwieg ihm nichts. Er aber sprach: Es ist der Herr; er tue, was ihm wohlgefällt.
Hat Gott nicht schon genug geredet?
Brauchen wir noch weitere Offenbarung? Hat Gott nicht schon alles gesagt?
Wir verdrängen die Wahrheit
So sagt Jesus in der Geschichte vom reichen Mann und armen Lazarus
Lk 16,31 Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.
Ist das wesentlich nicht schon lange klar?
Aber wir verdrängen die Wahrheit, verschleiern sie, reden sie immer wieder klein.
Seid 1972 verkündet der Club of Rome immer wieder, dass es so mit unserem Klima nicht weitergeht. Aber das, was wir bis jetzt erreicht haben ist nach neuesten Berechnungen zu wenig und es kommt zu spät!
Auch den Propheten im AT ging es nicht anders. Sie konnten die Katastrophe der Untergang der beiden israelitischen Reiche nicht aufhalten, weil sie verleumdet, verbannt und inhaftiert wurden. Eine parallele die mich persönlich sehr zum Nachdenken bringt.
Bei der Kirche ist es nicht anders: Das was heute passiert, war seid langem absehbar. Mir war das als junger Mensch eigentlich klar, dass es so kommen wird. Aber und hier bekenne ich mich schuldig, ich habe mich immer wieder einlullen lassen: Wir sind ja doch gar nicht so schlecht als Kirche. Wir können ja ehe nichts verändern. Es wird ja nicht so schlimm kommen.
Was Gott von uns will: Recht und Gerechtigkeit
Das was Gott will, ist seid langem bekannt: Recht und Gerechtigkeit, das fordern die Propheten immer wieder ein.
Gott sei Dank leben wir in einem Rechtsstaat und es gibt auch schöne Kirchengesetze.
Aber Gesetze allein garantieren noch keine Gerechtigkeit.
Sie können von den Machthabern so manipuliert werden, dass sie zu Unrecht werden.
Das ist die Erfahrung des AT.
Denn Gerechtigkeit kommt eben nicht durch das bloße Erfüllen der Gesetze, sondern sie kommt von innen her!
Kann Gott mit mir reden?
So wie er das mit Samuel tat?
Die Bibel sagt ganz klar: ja
Immerhin ist das die Verheißung von Pfingsten:
Joel 3,1 Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen.
Und davon haben wir auch im Evangelium gehört:
7 Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden. 8 Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; 9 über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben; 10 über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht; 11 über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.
Die Bibel sagt also sehr deutlich, dass Gott nicht aufhören wird zu reden, sondern dass er weiter durch seinen heiligen Geist zu uns sprechen wird.
Was ist dabei zu beachten?
Nun würden sie wahrscheinlich heute, wenn sie das von sich erzählen, was Samuel widerfahren ist, dass er eine Stimme gehört hat, mit dem Verdacht auf Schizophrenie in eine psychiatrische Klinik eingeliefert werden.
Ganz so einfach ist es also nicht, oder doch?
Zwei Beobachtungen:
Demut und kindlicher Glaube
Da ist der kindliche, demütige Samuel. Er bildet sich absolut überhaupt nichts darauf ein, dass Gott mit ihm redet und es wäre ihm auch lieber gewesen, Gotte hätte es nicht getan. Er ist demütig und bereit zu lernen, selbst von einem wie Eli. Samuel ist in dieser Geschichte der gehorsame Sohn, den Eli nicht hatte.
Anleitung und Bestätigung durch Dritte
Wer Gottes Stimme hören will, braucht den sozialen Kontext: Er braucht einen „Eli“ der ihn anleitet und der auch bestätigt, das das richtig ist.
Die Frage nach dem lebendigen Gott
Und hier kommt vielleicht die allerwichtigste Frage:
Ist Gott wirklich lebendig?
Ist Jesus der Auferstandene lebendig?
Dann kann er heute noch zu Menschen sprechen, zu mir und zu dir , so wie er zu Samuel gesprochen hat.
Und hier liegt vielleicht die größte Sünde der Kirche, dass sie nicht mehr mit dem lebendigen Eingreifen Gottes rechnet, dass er Menschen persönlich anspricht und sie persönlich ruft.
Sondern man versucht eben alles selber zu erklären, zu lösen und in Programme umzusetzen.
Dabei entdecken selbst Psychologen heute mehr und mehr die Geheimnisse des Glaubens. Es gibt geheime Kräfte im Menschen, die das Leben und die Wirklichkeit verändern. Aber in dem Moment, wo man sie zu erklären zu verobjektiveren versucht, funktionieren sie nicht mehr1
Lassen sie uns also im kindlichen Glauben so bereit sein wie Samuel und bereit sein für sein Handeln und Reden auch wenn die Situation noch so schlimm ist.
- Schon Viktor Frankl hat auf die „Dereflexion“ hingewiesen. Ähnliches zeigt die Erforschung des Placeboeffektes. Ein Münchner Psychologie Professor forscht gerade daran, wie unser Glauben und unsere Vorstellungen, die Wirklichkeit beeinflusst. Alles das läuft auf das selbe hinaus: Der Glaube setzt Prozesse und Vorgänge frei, die uns und die Welt verändern. In dem Moment, wo wir sie aber zu erklären versuchen, funktionieren sie nicht mehr. [↩]