Keynote auf dem Landeskonvent der evangelischen Jungend in Bayern
Eine Reise zu unserem Gehirn
Wofür brennt euer Herz heute Morgen?
Ich will euch heute auf eine Reise mitnehmen auf eine Reise in euer Gehirn?
Was ist da eigentlich los?
Deswegen zu beginn die Frage: Wofür brennt euer Herz gerade?
Wofür brennt mein Herz?
Unser Leben ist eine spirituelle Reise von der Geburt bis zum Tod.
Kommt mit auf meine eigene spirituelle Reise.Ich bin Pfarrer Martin Burkhardt, Gemeindepfarrer an der St.-Jakobskirche und pfarrer an der evangelischen Studierendengemeinde in Augsburg.
Meine spirituelle Reise begann in Augsburg, wo ich in der evangelischen Jugend aktiv war. Ich habe mich dann entschlossen, Theologie zu studieren und habe auch vorher noch mal eine Lehre als Kfz-Mechaniker gemacht. Ich habe promoviert über ein Thema, was uns heute alle bewegt, nämlich die Unkirchlichkeit, aber nicht die heute, sondern die vor 200 Jahren. Danach war ich 7 Jahre in Tansania, 11 Jahre in einem Allgäuer Dorf und schließlich bin ich jetzt in Augsburg.
Auf meiner spirituellen Reise hat mich auch die Neurobiologie beeinflusst. 2011 begann ich mit einem Vortrag in einem evangelischen Bildungswerk. Da die Chefärzte von Neurologie und Psychiatrie verhindert waren, habe ich mich mit dem Gehirn auseinandergesetzt. Diese Erkenntnis hat mich dazu gebracht, meinen Glauben aufgrund von Forschung und Erkenntnissen neu zu reflektieren. Sie hat meinen Glauben belebt und revitalisiert, da ich ihn jetzt besser verstehe und an andere weitergeben kann. Sie hat auch mein Leben positiv verändert.
Drei fazinierende Erkenntnisse aus dem Neruobiologie
Ich möchte euch das an drei Beispielen zeigen, wie Neurobiologie, Theologie und spirituelle Praxis sich gegenseitig bereichern können.
Neuroplastizität.
Unser Gehirn kann sich bis ins hohe Altern noch verändern, neue neuronale Verbindungen aufbauen, sich neue Sachen merken und sogar neue Sachen erlernen. Das ist spannend, weil eine der wichtigsten Botschaften von Jesus ist, zu denken, sich zu verändern und sein Denken zu ändern. Wenn das neurobiologisch möglich ist, macht es Sinn, dass Jesus uns dazu auffordert, uns immer wieder neu anzupassen und weiter zu lernen. Das macht Hoffnung, dass wir uns persönlich, die Kirche und die Gesellschaft verändern können, weil die Neurobiologie und Gott uns so geschaffen haben, dass wir veränderbar und lernfähig sind.
Unser Gehirn ein soziales Gehirn
Schon Aristoteles hat gesagt, dass der Mensch ein politisches Wesen ist, also ein gemeinschaftsfähiges Wesen. Die Bibel spricht viel von Gemeinschaft, und auch eure Erfahrung zeigt, dass ihr aus Gruppen und Kreisen kommt. Die Gehirnforschung hat festgestellt, dass unser Gehirn so konstruiert ist, dass wir in Gemeinschaft leben können. Vielleicht nicht in großen Gemeinschaften von tausenden Leuten, aber unsere Vorfahren mussten in Gruppen leben, um zu überleben. Viele Gehirnfunktionen sind darauf angelegt, dass wir miteinander kommunizieren, uns in kleinen Gruppen ausrichten und gemeinsam vorwärts gehen.
Kopf und Herz.
Die dritte wichtige Erkenntnis ist das, was die Bibel Herz nennt. Normalerweise gibt es einen Gegensatz zwischen Verstand und Herz. Neurobiologisch sitzt der Verstand der Neocortex, die Großhirnrinde. Darunter liegen andere Gehirnschichten: das Mittelhirn, das Kleine und das Stammhirn.
Aber wo liegt das, was die Bibel das Herz nennt? Das läßt sich neurobiologisch nicht so einfach sagen: Letztendlich denkt unser ganzer Körper mit, weil das Nervensystem das Gehirn mit verschiedenen Organen verbindet. Das Herz ist eine Ganzkörpererfahrung.
Und das sagt ja auch die Bibel, die immer von dem ganzen Menschen ausgeht. Der Mensch hat nicht nur ein Herz, einen Körper uns, sondenr er ist ein Körper, ein Herz.
Das bestätigt auch die Neurobiologie: Der Mensch ist nicht nur Verstand oder Großhirn, sondern das Großhirn wird entscheidend von anderen Gehirnteilen beeinflusst. Diese reine Sichtweise, wie sie die Aufklärung vielleicht hatte, existiert nicht. Andere Gehirnteile, insbesondere das limbische System, steuern und lenken das Großhirn. Das bedeutet, dass Religion und Theologie Herzenssache sind, und das ist neurobiologisch gut fundiert. Wir können uns neu auf diese biblischen Wahrheiten einlassen und uns an ihnen erfreuen, die im 21. Jahrhundert noch ihre wissenschaftliche Relevanz haben.
Das Gehirn als spirituelles Organ
Fassen wir zusammen: das Gehirn ist ein spirituelles Organ, weil Spiritualität Grenzüberschreitung und Transzendenz bedeutet.
Unser Gehirn überschreitet ständig Grenzen zur Zukunft hin. Wir denken darüber nach, was heute Abend oder in der Zukunft passieren wird. Unser Gehirn führt uns durch die Zukunft, plant sie und gestaltet sie aktiv.
Die zentrale Aufgabe der Spiritualität ist es, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen.
Jetzt möchte ich euch anhand von drei Beispielen näherbringen, was moderne Spiritualität und Neurobiologie miteinander zu tun haben.
Die Macht der inneren Bilder
Bilder sind die Sprache des Gehirns. Bevor wir sprechen konnten, haben unsere Sinne Bilder wahrgenommen und verarbeitet. Deshalb wirken Bilder tief in unser Gehirn hinein. Heute ist das ein Problem, weil wir mit Bildern überflutet werden. Wir hängen an unseren Handys, schauen fern oder Computerspiele.. Aber wir brauchen gute Bilder, die uns inspirieren und leiten. Daher ist für die Spiritualität wichtig: die Bilderflut zu begrenzen und uns mit wenigen guten Bildern zu beschäftigen, die unserem Leben Kraft geben.
Geralt Hütter, ein bekannter Neurobiologe, hat ein Buch über die Macht der inneren Bilder geschrieben. Anselm Grün hat das später aus dem christlichen Kontext erläutert und die heilsame Kraft der Bilder beschrieben. In euren Gruppen geht ihr je nach Altersstufe ganz viel mit Bildern um. Für die Kleinen ist die Kinderbibel besonders wichtig, aber auch für die Erwachsenen ist Arbeit mit Bildern wichtig.
Diese heilsamen Bilder haben wir in unserem christlichen Glauben: die Bilder von Jesus am Kreuz, die Auferstehung, die Bilder des Auferstandenen. Auch etwas kitschig, aber Jesus als der gute Hirte. Bilder, an die sich unsere Seele festhält, auch in schwierigen Zeiten. Lasst uns daran arbeiten, dass wir gemeinsam einen Bilderschatz haben und diesen Bilderschatz weitergeben an die, die uns anvertraut sind.
Entscheidungen
Das Rubikonmodell
Es gibt ein neurobiologisches gut fundiertes Entscheidungsmodell, das sogenannte Rubikonmodell. Es besagt, dass wir zunächst in einer Phase des Abwägen sind, in der wir viele Möglichkeiten und Motive haben. Manchmal sind wir überfordert, wie z. B. bei Kaufentscheidungen oder im Supermarkt.
Dann gibt es einen Punkt, an dem wir uns für eine Option entscheiden und sie in unseren Warenkorb legen. Das ist der Name des Modells, benannt nach dem Fluss Rubikon, den Julius Caesar überschritten hat, und damit ein wichtige politische Entscheidung traf.
Dann ist die Entscheidung gefallen.Ich überlege mir die Entscheidung nicht immer und immer wieder, bis ich zur Kasse gehe. Dann ist die Entscheidung gut, ich bezahle und muss mit ihr leben.
Entscheidungen fürs Leben
Wir alle müssen Entscheidungen treffen, besonders junge Erwachsene. Ich sehe das täglich bei meiner Arbeit mit Studierenden. Sie stehen vor vielen Entscheidungen, wie z. B. der Wahl eines Studiums, eines Berufs und eines Partners. Entscheidungen sind notwendig, um zu handeln und auf unser Leben zu reagieren.
Jede Entscheidung ist eine spirituelle Herausforderung, bei der wir eine Grenze überschreiten. Wenn wir Entscheidungen treffen, gibt es in der Regel kein Zurück mehr.
Entscheidungen als spirituelle Situationen
Für das Verständnis der Spiritualität ist es wichtig, diese Entscheidungssituation als spirituelle Herausforderung zu sehen und sie bewusst im Glauben anzunehmen. Das hat zwei Aspekte. Erstens kann ich die Entscheidung nicht auf andere abwälzen. Bis zu einem gewissen Alter entscheiden meine Eltern für mich, aber dann bin ich 18 und muss selbst entscheiden. Zweitens muss ich dann mit meiner Entscheidung leben, wenn ich sie getroffen habe.
Religiöse Entscheidungen
Zum Schluss noch eine Frage zur religiösen Entscheidung. Du musst dich für Jesus entscheiden. So heißt es in frommen Kreise.. Wir haben viele Möglichkeiten im Glauben: Buddhismus, Islam, Christentum und noch mehr.
Normalerweise wählen wir die Religion unserer Eltern. Aber wir müssen das ja auch bejahen. Der Sinn der Konfirmation ist es, diese Entscheidung noch mal zu treffen und zu sagen: Ja, ich will ja zu Gott, zum christlichen Glauben und zu dieser evangelischen Kirche.
Heute will man sich im religiösen Bereich vieles offen lassen.. Man hat die Furcht, dass man irgendwas verpassen könnte, wenn man sich jetzt auf eine Sache festlegt.
Aber neurobiologisch ist eine Entscheidung ganz heilsam. Wenn ich ständig 1000 Möglichkeiten im Kopf habe, dann braucht das viel zu viel Energie. Ich denke immer nach und ist das jetzt richtig und die Grundlagen gibt’s? Gott, oder gibt’s nicht?
Es ist ökonomischer zu sagen, okay, ich weiß, dass es ähnlich wie der Philosoph Pascal das in seiner Wette formuliert hat. halt verschiedene Möglichkeiten gibt, dass es Gott gibt oder nicht. Ich kann es letztlich beweisen, aber ich gehe jetzt einfach mal so weiter und gehe davon aus, dass es Gott gibt.
Glaubenssätze
Ein dritter Punkt ist der Glaube.Neurobiologisch ist er schwer zu fassen, da er mit Beziehungen zusammenhängt und viele Gehirnbereiche involviert.
Wie Glaubenssätze entstehen
Psychologische Glaubenssätze, die bewusst oder unbewusst in unserem Gehirn abgespeichert sind, spielen eine wichtige Rolle in unserem Leben. Sie beeinflussen unsere Selbstdialoge und unsere Gefühlslage.
Der Glaube an uns selbst beinhaltet, was wir können und was nicht. Zum Beispiel beeinflusste mich meine Flötenlehrerin, die nicht an meine Fähigkeiten glaubte, was meiner Karriere als Flöist schadete.
Diese Einteilung, was wir können und was nicht, spielt in unserem Leben eine große Rolle und ist auch eine spirituelle Frage. Sie betrifft, welche Kraft wir uns zutrauen, Grenzen zu überschreiten und spirituell zu wachsen, oder ob wir uns zurückziehen. Oder ich ziehe mich ins Schneckenhaus zurück und mache eben gar nichts mehr.
Glaube an Gott als Booster
Unser Glaube an Gott ist psychologisch und neobiologisch eine Ergänzung. Wenn es heißt, mit meinem Gott kann ich über Mauern springen, dann sind da zwei Glaubensaussagen mit drin. Erstens, dass ich tatsächlich über Mauern springen kann, und zweitens, dass da noch jemand ist, der mir hilft und meinen Glauben an mich selbst aufboostert. Das gibt mir innerlich Kraft und Stärke für die Herausforderungen, die mir anstehen.
Ressourcen in stürmischen Zeiten
Spiritualität ist die Frage, woher wir unsere Ressourcen und die innere Kraft bekommen, um den Herausforderungen des Lebens zu stellen. Das sind persönliche Herausforderungen, die alle Generationen schon hatten, wie das Erwachsenenwerden, die Berufsfindung, die Familiengründung und die Partnerwahl. Aber es gibt jetzt noch ganz viele andere Sachen, die Krisen der letzten Jahre, die auf uns zukommen, die zumindest meine Generation so nicht erlebt hat.
Wie geht es weiter?
Sucht euch eine Lebensgruppe
Eine Herausforderung ist, dass unser Gehirn ein soziales Organ ist. Sucht euch eine Gemeinschaft, eine Lebensgruppe oder einen Kreis von Freunden, mit denen ihr wichtige Fragen besprechen könnt. Unser Gehirn ist ein soziales Organ und versucht, Leute zu finden, mit denen man über alles reden kann. Wir haben bei uns zu Hause eine Studentengruppe, die Fliegende Teppiche heißt. Wir treffen uns einmal im Monat und die Themen sind offen. Ich gebe jetzt nicht vor, wir sprechen heute über Gott, über das Glaubensbekenntnis. Oft sind es religiöse Fragen oder Fragen, die mit religiösen Fragen zusammenhängen.
Holt euch Rat, Coaching von Experten, aber geht euren eignen Weg
Sucht euch Experten, die mehr Ahnung haben als ihr. Man muss nicht immer alles selbst erfinden und nachlesen. Natürlich kann man heute in vielen Bereichen ChatGPT fragen, aber es macht einfach mehr Sinn, Leute zu finden, die spirituell weiter sind als ihr, von denen ihr lernen könnt. Natürlich kann man die Erfahrungen anderer nicht eins zu eins übernehmen. Solche Leute können nur Starthelfer sein. Ihr müsst eure eigenen Erfahrungen machen und könnt nicht einfach irgendwas Erfahrung von anderen Leuten übernehmen.
Gern könnt ihr auch mich kontaktieren, für einen Telefonat, einen Zoomkontakt oder ein persönliches Treffe, wenn ihr nicht zu weit weg von mir wohnt.
Werbeblock
Das Letzte ist der Werbeblog. Es gibt gute Materialien zu diesem Thema. Ich habe ein Buch geschrieben, „Neuronale Steuerung“.
Es gibt auch einen Onlinekurs zu diesem Thema. Er basiert auf Praxiserfahrung und Lifehacks aus der ESG in Augsburg. Ich kann ja nicht überall sein. Das möchte ich euch mitgeben.
Herzensatz to go
Was nehmt ihr aus dem Vortrag mit….
Eurem Herz und eurem Gehirn soll das letze Wort gehören