Zur Bundestagswahl


Martin Burkhardt predigt zur Bundestagswahl über 1.Kor 12, 12-26)

Predigttext

„Denn wie der Leib einer ist und hat doch viele Glieder, alle Glieder des Leibes aber, obwohl sie viele sind, doch ein Leib sind: so auch Christus. Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt.

Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele. Wenn nun der Fuß spräche: Ich bin keine Hand, darum gehöre ich nicht zum Leib!, gehört er deshalb etwa nicht zum Leib? Und wenn das Ohr spräche: Ich bin kein Auge, darum gehöre ich nicht zum Leib!, gehört es deshalb etwa nicht zum Leib? Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör? Wenn er ganz Gehör wäre, wo bliebe der Geruch? Nun aber hat Gott die Glieder eingesetzt, ein jedes von ihnen im Leib, so wie er gewollt hat. Wenn aber alle Glieder ein Glied wären, wo bliebe der Leib? Nun aber sind es viele Glieder, aber der Leib ist einer.

Das Auge kann nicht sagen zu der Hand: Ich brauche dich nicht; oder wiederum das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht. Vielmehr sind die Glieder des Leibes, die uns schwächer erscheinen, die nötigsten; und die uns weniger ehrbar erscheinen, die umkleiden wir mit besonderer Ehre; und die wenig ansehnlich sind, haben bei uns besonderes Ansehen; denn was an uns ansehnlich ist, bedarf dessen nicht. Aber Gott hat den Leib zusammengefügt und dem geringeren Glied höhere Ehre gegeben, auf dass im Leib keine Spaltung sei, sondern die Glieder einträchtig füreinander sorgen. Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.“
(1 Corinthians 12:12-26)


Heute mal was politisches zur Bundestagswahl….

Keine Angst ich werde nicht für irgendeine Partei Werbung machen?


Ein höchst politischer Text

Aber dieser Text von Paulus ist schon ziemlich politisch.

  1. Menenius Agrippa (5. Jh. v. Chr.) – In einer berühmten Rede an das römische Volk (wie von Livius überliefert) verglich er den Staat mit einem menschlichen Körper, in dem die verschiedenen Stände (Plebejer und Patrizier) wie Organe zusammenarbeiten müssen.
  2. Platon (4. Jh. v. Chr.) – In der Politeia (Der Staat) beschreibt er eine harmonische Gesellschaft, in der verschiedene Klassen unterschiedliche Aufgaben haben, ähnlich wie Organe im Körper.
  3. Aristoteles (4. Jh. v. Chr.) – In seiner Politik vergleicht er den Staat mit einem lebendigen Organismus, in dem alle Teile zusammenwirken.

Nun man kann ja viel von der Natur lernen und in der Tat ist der Gedanke vom Staat als einen lebendigen Organismus eine sehr interessante Perspektive.


Vom Zustand des politischen Systems

Allerdings sieht es momentan anders aus: Jeder kämpft gegen jeden, nicht miteinander für eine Sache sondern jeder für sich:

Von „Einigkeit und Recht und Freiheit“ wie es in unser Nationalhymne heißt ist da momentan wenig zu spüren


Falsch verstandener Darwin

Woher das kommt? Charles Darwin hat ja auch die Natur beobachtet, aber er konnte da nur den Überlebenskampf finden : the survival of the fittest. Das Überleben des Stärkeren sehen. Daraus haben dann im Sozialdarwinismus, die Nationalsozialisten das Recht des Stärkeren und die Sonderrechte einer vermeintliche stärkeren Rasse abgleitet.

Aber so ganz stimmt das. nicht: denn wenn der Jäger seine Beutetiere ausrottet, bringt er sich selber in Gefahr!


Das große Gleichgewicht

Man kann aber die Natur auch anders sehen: Alle sind voeinander abhängig. Im Gleichgewicht. Kommt dieses Gleichgwicht ins Wanken, dann können alle Untergehen, gemeinsam.

Wir sitzen alle im selben Boot.


Erkenntnisse aus de Neurobiologie

Das ist überigens auch die Erkenntnis der Neurobiologie.

Alles hängt in unserem Körper zusammen.

Manche denken, nur der Kopf ist die Steuerzentrale. Weit gefehlt. Auch unser Körper steuert heftig mit.

Und es ist die größte Herausforderung unseres Körpers, das alles sychnronisiert, in Harmonie ist und aufeinander abgestimmt ist.

Eine Überforderung oder Überbelastung eines Teils macht sich ganz schnell in gesundheitlichen Störungen bemerkbar.

Und wenn das Gleichgewicht nicht mehr stimmt, dann spüren wir körperlich wie mental ein tiefer innere Zerissenheit und Abgeschlageneheit.


Nützt es manchmal mit der Faust auf den Tisch zu hauen?

Braucht es aber vielleicht doch manchmal jemand der auf den Tisch haut und sagt, da geht es lang?

Das sind meist nur kurzfristige Lösungen, die nicht nachhaltig sind und die nicht Bestand haben. Denn das Gleichgewicht stellt sich dann wieder von selbst ein. Der Körper holt sich seinen Schlaf zurück!


Achtsamkeit

Dieses feinfüligen Umfgang beschreibt auch der Text des Paulus. Es ist eigentlich der Gedanke der Achtsamkeit. Auf den Körper zu achten. Alle gesellschaftlichen Teile im Blick zu haben. Sie wahrzunehmen. damit der Blick auf das Ganze nicht zu vergessen!

Das Auge kann nicht sagen zu der Hand: Ich brauche dich nicht; oder wiederum das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht. Vielmehr sind die Glieder des Leibes, die uns schwächer erscheinen, die nötigsten; und die uns weniger ehrbar erscheinen, die umkleiden wir mit besonderer Ehre; und die wenig ansehnlich sind, haben bei uns besonderes Ansehen; denn was an uns ansehnlich ist, bedarf dessen nicht.

. Aber Gott hat den Leib zusammengefügt und dem geringeren Glied höhere Ehre gegeben, auf dass im Leib keine Spaltung sei, sondern die Glieder einträchtig füreinander sorgen. Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.“


Eine Frage der Streitkultur

Natürlich gehört zur Demokratie auch die Streitkultur. Das ist genau unsere Stärke.

Aber darin ist ja wichtig, dass alle Positionen wichtig sind.

Darin liegt ja gerade der kreative Aspekt der Demokratie, die viele Ideen zulässt und viel Potentiale fördert.

Die Opposition hat eine ganz wichtige Aufgabe.

Es kann nicht Ziel sein, den politischen Gegner zu vernichten, sondern man muss ihn mit Respekt begegnen.

Das wäre ja genaus, wenn der Körper sich selbst die Hand abhacken würde.


Globale Herausforderung

Das gilt aber für die Innenpolitik, aber auch global.

Wir sitzen eben weltweit in einen Boot. Es wird auf Dauer nicht gut gehen, wenn wir Augen vor den Problemen der Welt verschließen und uns abschotten. Wir brauchen gemeinsame Lösungen weltweit. Nicht gegeneinander, sondern miteinander.


Dauert es viel zu lange?

Aber noch etwas macht mir Sorge? Historisch gibt es ein auf und ab. Änderungen und Konflikte werden oft Jahrzehnte und Jahrhunderte lang ausgefochten.

Hegel hat das mit These, Antithese und Synthese zusammengefasst.

Die Zeit für solche langen Kontroversen haben wir nicht mehr. Wenn es nicht zu einer radikalen Umkehr kommt, wird unsere Gesellschaft zusammenbrechen.


Was ist nun das spezifisch christliche an diesem Text?

Spaltungen

Nun Paulus verwendet diese alte politische Metapher, weil es offenbar Spaltungen in Korinth gegeben hat.

Es ging dabei um den spirituellen Level.

Die mit besonderen Begabungen hielt sich für besonders wichtig.

Das ist dann das klassische Beispiel:

  • von einem der wunderbare Predigten hält, toll Musik macht im Rampenlicht steht
  • und die einfache Oma, die Kaffee kocht und die Toiletten sauber macht.

Wer nur auf die Leute im Rampenlicht blickt, der vergisst die Anderen, die auch wahrgenommen werden wollen


Die Gleichheit des Menschen vor Gott

Paulus begründet dies mit der Gleichheit der Menschen vor Gott:

Und damit geht er über die ursprüngliche politische Bedeutung hinaus Menius Agrippa wollte ja den Klassenunterschied begründen.

Paulus aber schreibt:

Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt.

Hier wird der gesellschaftliche Stand und die Herkunft aufgehoben.

Sie spielen vor Gott keine Rolle.

Dieser Gedanke ist im wahrsten Sinne des Worte radikal, den dadurch bekommt jeder seinen gleichberechtigten Platz in de Gemeinschaft und jeder ist gleich wichtig.

(Auch das wiederum sehr politisch, hießt doch der Slogan der Französchichen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit)


Die heilige Familie

Wir Christen sind eine heilige Familie von Schwestern und Brüdern

Jede/jeder gehört dazu

Keine/Keiner darf vergessen oder an den Rand gedrängt werden

Alle tragen ihren Teil zur Gemeinschaft mit bei.