Kain und Abel – der ewige Streit

Predigt über 1. Mose 4
Im Rahmen der Predigtreihe über 1. Mose 1-12

Liebe Schwestern und Brüder!

Einleitung

Warum alles geworden ist und so ist wie es ist. - Unter diesem Motto haben wir uns aufgemacht und haben die ersten drei Kapitel der Bibel besprochen.
Wir haben begonnen mit dem Thema:
Aus Chaos wird Ordnung der Glaube an Gott den Schöpfer
Der Mensch als Geschöpf Gottes? Woher komme ich? Wozu bin ich da?
Vertrauen oder Angst, was bestimmt mein Leben?
Mann und Frau - Gegeneinander oder miteinander?
Immer ging es dabei nicht, um das was irgendwann etwas Vergangenes, sondern um die Gegenwart.
Um unser Leben im Hier und jetzt
Die Bibel ist kein Buch, was uns nur alte Geschichten erzählt,
.Ihr geht es um unser Leben heute.

Heute geht es um etwas was, wir alle kennen.
Der Streit zwischen Brüdern.
Und ich ergänze natürlich auch um den Streit zwischen Schwestern oder Geschwistern.
Predigttext V 1.8
Wenn ich in der Grundschule meine Schüler erzählen lasse, die Geschwister haben, dann tauchen immer wieder diese Themen auf.
Konflikte zwischen kleinen und großen Geschwistern.
Aber es ist ja nicht nur. der kleine Streit, der mit dieser Geschichte gemeint ist, sondern jeder Streit.
Bis hin zum Streit, der in Mord und Krieg eskaliert.
Deswegen lohnt es sich genauer hinzusehen.

Die Geschichte von Kain und Abel gehört noch zur Urgeschichte. Sie schließt unmittelbar als an die Geschichte vom Sündenfall in Kapitel 3 an.
Sie ist nicht nur eine Fortsetzung dieser Geschichte. Sie gehört noch zur Geschichte vom Sündenfall dazu. Sie ist der soziale Sündenfall.
Geht es in 1.Mose 3 um die Beziehung zwischen Gott und Mensch und um die Beziehung zwischen Mann und Frau, geht es jetzt um die Beziehung zwischen zwei gleichgestellten Menschen, zwei Brüdern.

Die Story

Die Geschichte beginnt harmlos.

Eva bringt zwei Kinder zu Welt Kain und Abel.
Abel spielt in der Geschichte eigentlich keine Rolle.
Sein Name heißt übersetzt „der Nichtige“.
Er kommt auch nicht zu Wort.
Er ist nur das Opfer in der Geschichte.

Die beiden Brüder ergreifen, die für die damalige Zeit typischen Berufe.

Hirte und Bauer.
Der Auftrag, den Gott die Menschen gegeben hat, die Erde zu bebauen und zu bewahren geht weiter und er erfordert eine erste Arbeitsteilung und Spezialisierung.
Jeder von ihnen hatte Erfolg. Gott gibt weiterhin seinen Segen.
Das Leben entwickelt und entfalten sich auf der Erde.

Nun wird das erste Opfer dargebracht.

Es ist ein ganz ursprüngliches, einfaches Opfer.
Es war für die ersten Menschen ganz natürlich „Danke“ zu sagen.
Man gab etwas von der Erträgen an den zurück, von dessen Segen man abhängig war.
Man verbrannte es, ließ es in der Wildnis zurück.
Die Annahme dieses Opfers war wichtig,
Nur so war man sich gewiss, dass Gott auch zukünftig seinen Segen spenden würde.
Und nun geschieht etwas, was genau so unerklärlich ist, wie das Auftreten der Schlange in Kapitel 3.
Gott sieht das Opfer von Abel gnädig an und das Opfer von Kain nicht gnädig an.

Es kommt zu einer Ungleichheit.

Der eine Bruder wird hinten angesetzt, zurückgesetzt.
Beide haben sich gleich angestrengt, gleich bemüht, haben ein Opfer dargebracht. Und nun geschieht das.
Abel hat mehr Erfolg, sein Opfer wird angenommen, was neuen Segen verheißt.
Kains Opfer wird nicht angenommen und damit wird seine Existenz in Frage gestellt.
Denn wenn Gott seinen Segen zurückzieht, dann ist auch de landwirtschaftliche Ertrag nicht mehr sichergestellt.
Diese Form von Ungerechtigkeit gibt es andauernd. Die Welt ist nicht gerecht.
Der eine lernt spielen locker, leicht und bekommt gute Noten.
Der andere strengt sich in der Schule an und kommt trotzdem mit einer vier nach hause.
Der eine kommt bei Frauen gut an und hat an jeder Hand fünf, dem anderen fällt es schwer und dann wird ihm auch noch seine Freundin ausgespannt.
Die Reihe der Ungleichheiten könnte man beliebig fortsetzen.
Es geht dabei immer um die Frage, wo bekomme ich Aufmerksamkeit und Anerkennung
Die aber ist nicht gleich verteilt.
Der Autor der Geschichte ist dabei weniger an Gott interessiert
Er ist an uns Menschen interessiert.
Er beantwortet die Frage nicht, warum Gott, das eine Opfer ansieht und das andere nicht.
Diese Frage bleibt im Dunkeln.

Wie reagieren wir auf diese Zurückstellung?

Die Bibel beschreibt sehr deutlich die psychosomatische Reaktion von Kain.
Er senkt sein Blick.
Die Wut entbrennt.
Das ist typisch menschlich.
Wir fühlen uns ungerecht behandelt
Der andere hat mehr als ich….
Der andere wird bevorzugt…..
Wir kochen innerlich.
Und dann passiert etwas in unserem Herzen.
Kain verschließt sein Herz für Abel.
Nun folgt ein Dialog zwischen Gott und Kain.
Dieser Dialog ist sehr wichtig. Es ist eine Warnung von Gott an Kain.
Und durch diese Warnung wird Kain verantwortlich. für das was er tut.
Der folgende Mord ist damit nicht mehr Mord im Affekt, sondern bewusster Mord.
Neurologisch gesehen haben wir Menschen eine sehr starke emotionale Reaktion.
Sie ermöglicht es uns in gefährlichen Situationen blitzschnell zu handeln.
Aber in manchen Situationen kann sie uns zum Verhängnis werden.
Deswegen gibt es immer noch die Möglichkeit überlegt zu handeln.
Man könnte sagen der Dialog zwischen Gott und Kain spiegelt so etwas wieder wie unser Gewissen.
Für die Erzähler der Geschichte ist es aber ein direktes Gespräch zwischen Gott und dem Menschen.

Und dann geschieht das Furchtbare.

Der Mord selber wird ohne große Liebe zum Detail berichtet.

Predigtest Teil 2 (V. 9-16)
Ähnlich wie im Sündenfall wird nun die Ahnung berichtet.
Es kommt zu einem Verhör durch Gott und dann der Urteilsspruch.
Es folgt die Frage „Wo ist dein Bruder?“
Sie parallel zu der Frage „Adam wo bist du?“
Wie Adam und Eva reagiert auch Abel abweisend:
„Soll ich meines Bruders Hüter sein?“
Und es ist Gott der Kain seine Schuld zuspricht:
„Die Stimme des Blutes deines Bruders“ schreit zur Erde“
Der verborgene Mord kann nicht verschleiert und vertuscht werden.
Kain wird nun im Gegensatz zu Adam und Eva verflucht

Was können wir aus dieser Geschichte lernen:

Es gibt immer einen Anlass zum Streit.

Die Bibel erklärt nicht, warum es diesen Unterschied beim Opfer gibt.
Er ist einfach da.
Er gehört zum Menschsein dazu.

Wir regieren auf diese Unterschiede heftig.

Auch das ist emotional menschlich.
Wir haben ein tiefes Empfinden für Gerechtigkeit.
Das liegt wohl daran, dass unser Überleben davon abhing, ob Ressourcen in der Gruppe gleichmäßig verteilt wurden.
Auch für Kain war die Annahme des Opfers durch Gott überlebenswichtig,
Von ihr hing der weiterer Ertrag in der Landwirtschaft ab.
Auch hier ist die Bibel realistisch.
Es geht gar nicht so sehr um den Streit um Kleinikgkeiten,
Es geht um wichtige Dinge, überlebenswichtige Dinge.
Es geht beim Streit und die lebenswichtigen Ressourcen: um Nahrung, Wasser, Öl.

Die große Frage ist: wie gehen wir damit um?

Sind wir unseren emotionalen Reaktionen hilflos ausgeliefert?
Hier sagt die Bibel: Nein!
Wir haben uns die Möglichkeit zu entscheiden.
Damit werden wir auch für unsere Taten verantwortlich.

Wir müssen uns für unsere Taten verantworten

Wir müssen uns aber nicht nur vor einem weltlichen Gericht verantworten.
Gott ist es, der uns zur Verantwortung zieht.
Das ist wie schon in 1. Mose 3 die grundlegende Perspektive.
Vergossenes Blut, begangenes Ungerechtigkeit kann nicht verborgen bleiben.
Sie zerstört einerseits die Grundlage für unser Leben:
Der Ackerboden, der von Gott gesegnet ist, kann keine Frucht mehr bringen.
Das heißt durch den Mord wird gerade das zerstör wofür Kain gekämpft hat:
Der Segen und der gute Ertrag in der Landwirtschaft.
Dies hat sich unzählige male in der Geschichte wiederholt. Man denke nur an Deutschland im zweiten Weltkrieg: von dem erkämpften Lebensraum im Osten, blieb nur ein geteiltes und kleineres Deutschland übrig.
Anderseits muss Kain unter dem Fluch leben.
Er ist ein Ausgestoßener.
Er lebt nun selbst außerhalb der Sippe in einem rechtsfreien Raum.
Die Schöpfungsgeschichte kennt noch kein jüngstes Gericht. Für sie treten die Folgen der Tat sofort im hier und jetzt ein.

Nicht jeder Streit muss mit einem Mord enden.

Aber jeder Streit birgt in sich die Tendenz zum Ausbruch von psychischer oder physischer Gewalt. Das liegt in unserer Natur.
Richtig Streiten will gelernt sein.
Es setzt voraus, dass wir unser emotionalen Reaktionen unter Kontrolle haben.

Es fällt auf, dass der Streit zwischen Kain und Abel religiöse Ursachen hat.

Warum sind religiöse Streits so gefährlich?
In einem religiösen Streit fällt die mahnende Stimme des Gewissens weg.
Gott wird dann als einer wahrgenommen, der nicht mehr vor einem Streit warnt, sondern sogar dazu ermutigt.
Dann kann es zu einem unkontrollierten Ausbruch von Emotionen und Gewalt kommen.
Ja um überhaupt Menschen zu Gewalt und Krieg anzustacheln müssen Gewalt und Krieg als gerecht oder heilig propagiert werden, damit die vorhandenen Gewaltbarrieren ausschalten werden können.
Man könnte nun viel über den „Heiligen Krieg“ diskutieren.
Seine Wurzeln gehen auf das AT zurück.
Um das gelobte Land zu erobern, musste Israel diesen Krieg als heiligen, von Gott gewollten Krieg ausrufen.
Aber wir müssen gar nicht so weit gehen:
Auch wir führen heilige Kriege, wenn es um das Grundsätzliche, Wesentliche geht.
Dann sind auch wir schnell dazu bereit, die Mitmenschlichkeit und die Liebe zu vergessen und wenn schon nicht zu physischer Gewalt doch zu psychischer oder sozialer Gewalt zu greifen.

Der Andere Weg

Wir haben im Evangelium gehört:
Wie oft soll ich meinem Bruder vergeben: sieben mal?
Jesus sagt: sieben mal siebzig mal. Siebenmal.
Wird in Mose 4,22 die an Kain mögliche Blutrache eingeschränkt, so erweitert Jesus die Vergebung ins Grenzenlose. Wenn Petrus fragt: Reicht es siebenmal zu vergeben, so steht sieben für die Vollkommenheit. Mann könnte also sagen: Petrus fragt Jesus muß ich meinem Bruder vollkommen vergeben. Dann antwortet Jesus. Nein das reicht nicht, sondern du sollst ihm mehr als vollkommen vergeben, total vergeben.
Jesus hat dies selbst gelebt, als er am Kreuz über seinen Peinigern aussprach: Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.
Der schreckliche Fluch den Gott über den Mörder Kain verhängt ist, wird aufgehoben, wenn Jesus dem mitgekreuzigten Verbrecher zusagt: „Noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein“
Das hebt zwar die irdische Strafe für den Mörder nicht auf, der selbst über sich sagt: „wir empfangen, was für ihre Tagen verdienen“, aber ein geistlicher Neuanfang vor Gott ist damit möglich.

Schluss

Die Urgeschichte beschreibt unser Leben realistisch:
Ungleichheit, Streit und Mord gehören mit zu den Möglichkeiten des menschlichen Lebens.
Genauso wie der Tod, über den wir schon beim 1. Mose 3 gesprochen haben.
Die Bibel beschreibt keine heile Welt.
Aber sie zeigt uns den Weg, wie wir in dieser Welt leben können.
Wir sollen, wie sie es beschreibt, „über die Sünde“ herrschen“- also uns nicht unüberlegt von unseren Emotionen zu Haß und Gewalt mitreisen lassen.
Und wir sollen, wie Jesus es getan hat, mit einer vollkommenen, totalen Vergebungsbereitschaft leben.
Das heißt nicht, das ich zu allem Ja und Amen sage.
Aber die Herausforderungen besteht eben gerade darin, dass sich meine innere „Wut“ und mein „Groll“ gegenüber einem anderen soweit abgekühlt haben muss, das ich ihm ohne Vorbehalte gegenüber treten kann. Sonst ist die nächste Streiteskalation bereits vorprogrammiert.
Praktisch sieht das so aus, dass es in Streitsituationen oft besser ist eine „Verhandlungspause“ einzulegen, um jedem der Streitpartner die Gelegenheit zu geben, emotional wieder runter zu fahren.