Auferstehung

Historische Fragen

Die Auferstehung wird im Neuen Testament an mehreren Stellen berichtet.

Das früheste Dokument ist die sogenannte Zeugenliste in 1. Kor 15,3-8. Sie ist aber eine vorpaulinische Tradition1. Besonders aufschlussreich sind die Einzelzeugen.
Petrus hatte Jesus verleugnet.
Paulus hat die junge Kirche verfolgt.
Es muss also eine überwältigende Erfahrung gegeben haben, auf der diese Zeugenliste beruht.

In den vier Evangelien wird die Auferstehung jeweils unterschiedlich berichtet. Während man früher diese Unterschiede als Argumente gegen die Wirklichkeit der Auferstehung interpretierte2, so sieht man heute, dass sich diese Unterschiede erklären lassen.
Relativ große Übereinstimmung gibt es bei den Berichten über die Gruppenerscheinungen, die ja auch im 1 Kor berichtet werden, so dass man davon ausgehen muss, dass sie wirklich stattgefunden haben. Unklarheit besteht über die Reihenfolge der Einzelerscheinung, z.B. ob Jesus zuerst Maria oder Petrus erschienen ist.

Die Erzählung vom leeren Grab hat auf jeden Fall einen historischen Kern. Allerdings sagt sie allein noch nichts über die Wirklichkeit der Auferstehung aus. Wäre der Leichnahm Jesu noch vorhanden gewesen, hätte die Nachricht von der Auferstehung widerlegt werden können.

Sozialpsychologische Fragen

Die Gefangennahme und Kreuzigung Jesu war für die Jünger ohne Zweifel ein traumatisches Erlebnis. Der Verlust des Meisters bedeutet für die Jünger ein herber Einschnitt, zumal sie sich wie Petrus auch mitschuldig fühlen mussten.

Aus dieser Situation heraus gibt es nur zwei mögliche Weiterentwicklungen:

  1. Der Jüngerkreis fällt auseinander und zerstreut sich sich in alle Winde.
  2. Der Jüngerkreis schließt sich zusammen, um Jesus als Märtyrer zu verehren und sein Andenken weiter zu pflegen.(( Vgl. dazu die Theorie von Marxsen, dass die Auferstehung daraus zu verstehen ist, dass die "Sache Jesu" weitergeht, siehe Theissen, a. a. O., S. 440.))

Offenbar ist der zweite Fall eingetreten. Auch in der mittelalterlichen Heiligenlegenden wird eine Wundertätigkeit über den Tod hinaus berichtet. Allerdings gibt es hier nie einen Zweifel, dass die Heiligen tot sind.
Die um Jesu Tod trauernde und an ihn denkende Jüngergemeinde muss deshalb als soziologischer Rahmen gesehen werden, in der sich der Auferstehungsglaube entwickelte. Dies wird auch schon aus dem Miteinander von Einzel- und Gruppenerscheinungen deutlich.

Neurologische Fragen

Neurologische Repräsentation von Verstorbenen

Unser Gehirn speichert die Erfahrungen mit einer Person ab, so das wir je nach Umfang dieser Erfahrungen uns in die Gedanken und Handlungen einer bestimmten Person hineinversetzen können. Wir könne sogar ihre Rolle übernehmen.

Der Tod einer Person zerstört unser Erinnerungen noch nicht, neurologisch gesehen bleibt eine Person weiterhin präsent. So berichten Angehörige oft, dass sie in Trauerphase oft das Gefühl haben, dass der Verstorbene noch um die Ecke kommt. Oder sie können sich mit ihm unterhalten und ihn fragen, was er in einer bestimmten Situation tun oder sagen würde. Neurologisch gesehen übernehme ich bei dem Gespräch quasi eine Doppelrolle. Ich spiele mich selber und gleichzeitig spiele ich gedanklich die Rolle des Verstorbenen.((Vgl. Burkhardt, Neuronale Theologie, 2018, S.63 f und S.66.))

Einzelerfahrungen

Es ist also nicht unwahrscheinlich, das einzelne Jünger das Gefühl hatten, dass Jesus ihnen nahe ist und ihnen über die Trauer hinweghilft. Einen Niederschlag könnte so eine Erfahrung z.B. in der Emmausgeschichte (Lukas 24,13-34) haben. Wichtig ist hier auch der Hinweis, dass das Erlebnis plötzlich abbricht und sie Jesus nicht mehr sahen (Lukas 24,30). Dies ist typisch für solche Nachtoderfahrungen.

Gruppenerfahrungen

Schwieriger ist schon die Erklärung der historisch gut bezeugten Gruppenerfahrungen. Sie folgen jedoch historisch nach den ersten Einzelerscheinungen. Es kann also durchaus sein, dass die freudige Erfahrungen Einzelner ansteckend wirkte (Isomorphie)((Vgl. zur Isomorphie, Burkhardt, Neuronale Theologie, 2018, S.89 ff.)) und die Gruppe als Ganzes dann zur Überzeugung kam, Jesu sei auferstanden.((So vertritt Lüdemann, Auferstehung,1994, die Auffassung, dass der Auferstungsglaube auf die Einzelerfahrungen von Petrus und Paulus zurückgeht. Petrus hätte dadurch seine Schuldgefühle bewältigt, Paulus plötzlich seine verdrängte Faszination für Jesus entdeckt. Die Gruppenerfahrungen seien dann das Ergebnis einer Massensuggestion, zit. nach Theissen a.a. O, S. 421 f.))

Dass es dabei auch immer Zweifler gab, zeigt die Geschichte vom ungläubigen Thomas, der sich zunächst der allgemeinen Gruppenstimmung nicht anschließen wollte (Joh 20, 24 ff). Die Antwort Jesu "Selig, sind die nicht sehen und doch glauben" (V.29) zeigt deutlich einen Mechanismus der späteren Gemeinde, den Zweifel an die Auferstehung zu überwinden, als die Erscheinungen bereits aufgehört hatten.((Vgl. zum Umgang mit Zweifel als Absicherung des Glaubens, Burkhardt, Neuronale Theologie, 2018, S.49 f.))

Schlussfolgerungen

Neurologische Erkenntnisse können deshalb Argumente für eine subjektive Visionstheorie liefern. Die Auferstehung geht auf die nicht objektivierbaren inneren Wahrnehmung Einzelner zurück. Dafür sprechen auch zahlreiche Details in der historischen Überlieferung.

Nicht erklärbar und damit analogielos ist jedoch, dass der Jüngerkreis am Osterglaube festgehalten hat. Normalerweise nehmen solche Nachtoderfahrung mit fortschreitendem Trauerprozess ab und man kommt wieder auf den Boden der Tatsachen. Die Erinnerung an Jesus war anscheinend so stark, dass sich die neutestamentlichen Gemeinden immer wieder der Gegenwart des Auferstandenen bewusst wurden. Im Neuen Testament wird dies der Wirkung des Hl. Geistes zugeschrieben (vgl. Joh 14,26) Und tatsächlich überwanden die Jünger erst an Pfingsten ihre Furcht und Trauer und erzählten öffentlich von der Auferstehung (vgl Joh 16,22).

Philosophische und naturwissenschaftliche Fragen

Die Frage nach der Wirklichkeit der Auferstehung kann deshalb neurologisch noch nicht hinreichend beantwortet werden.
Tatsache ist, dass es eine sozial geteilte Erinnerung gibt, die auch nach hunderten von Jahren stabil ist.
Wir müssten jetzt noch im Einzelnen untersuchen, was zu dieser Erinnerung beiträgt. Dazu zählt sicherlich die Verschriftlichung im Neuen Testament und das Abendmahl als Erinnerungsritus.

Trotzdem steckt hinter diesen Erinnerung eine Macht, die wir uns nicht vollständig erklären können. Neurologische Erkenntnisse können höchstens einzelne Mechanismen in diesem Prozess erhellen.
Auch neurologisch gesehen verlieren wir uns bei der Ursachenfindung, im Nanobereich, bei dem herkömmliche deterministische Erklärungen versagen. So kann eben nicht eindeutig vorhergesagt werden, wann ein bestimmtes Neuron aktiviert wird.
Ebenso muss das Verhältnis von Materie und Information überdacht werden. Was ist die wahre Wirklichkeit? Ist es die Materie, die die Information schafft, indem sie Erbgut in der DNS codiert? Oder ist es die Information in der DNS, die die Materie zu Lebewesen formt?

Die Botschaft von der Auferstehung Jesu ist eine Information, die seit zweitausend Jahren wirkt und Leben verändert. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes lebendig! Woher sie diese Lebendigkeit und Kraft hat, ist trotz aller neurologischen Erklärungen ungeklärt.

Ein rein subjektive Visionstheorie bei der die Apostel Petrus und Paulus das Ereignis auf Grund ihres Trauerprozesss quasi selbst produziert hätten, reicht m. E. deshalb nicht aus. Hinter dem Auferstehungsglauben steckt eine Macht, die weit über das menschliche Individuum hinaus geht. Insofern kann man dann den objektiven Charakter der Auferstehung nicht mehr leugnen.((vgl. Pannenberg, Systematische Theologie 2.Bd, 1991, S.385-405.))

Mehr zum Thema Ostern und Auferstehung finden sie in:

  1. Theissen u.a., Der historische Jesus,1997, S. 426. []
  2. So der Theologe Reimarus. []