Gott Vater

Neurologische Genese des Vaterbegriffes

"Gott Vater" ist wie der Begriff Gott selbst ein virtueller Begriff. Das heißt, dass Gott Vater ist lässt sich nicht direkt aus empirischer Erfahrung ableiten, sondern ist ein Konstrukt.
Dabei werden zwei empirische Erfahrungen miteinander verbunden.

Der empirische Begriff Vater

Jeder Mensch hat einen leiblichen Vater. Egal ob er ihn kennt oder nicht, wird sich jeder Mensch ein Bild von diesem Vater machen. Das entscheidende archaische Bild ist dabei der des Erzeugersund Versorgers.

Die empirische Erfahrung des Gewordenseins der Welt

Diese Erfahrung des persönlichen gezeugt und versorgt sein durch den leiblichen Vater wird nun auf eine andere empirische Erfahrung übertragen. So wie ich persönlich gezeugt und versorgt worden bin muss auch die für mich sichtbare empirische Welt hervorgebracht, also gezeugt worden sein und versorgt werden.

Gott als der Allvater

Gott Vater zu nennen ist keine christliche Erfindung. Sie taucht auch in anderen Religion auf.1
Sie beruht wie bereits gesagt auf zwei miteinander verknüpften Erfahrungen aus denen ein virtueller Begriff gebildet wird, der nicht mehr direkt der Erfahrungen zugänglich ist. Einmal die Primärerfahrung, selber einen Vater zu haben. Und zum anderen die Erfahrung der empirischen Welt in ihre Komplexität und Vielseitigkeit.
Die Primärerfahrung des leiblichen Vaters dient dabei als sicheres Referenzsystem um die Komplexität der empirischen Welterfahrung zu deuten und zu stabilisieren.
Mit anderen Worten: Die Erfahrungen mit dem eigenen Vater erschließen uns die Möglichkeit unsere Lebenswelt zu deuten und ihr einen Sinn zu geben.

Die Instabilität des Gott Vaterbegriffes

Das Konstrukt erweist sich jedoch neurologisch als äußerst instabil.
Dies liegt einerseits an den durchaus ambivalenten Erfahrungen, die wir mit unserem eigenen Vätern gemacht haben. Nicht jeder hatte einen gütigen liebenden Vater.
Anderseits passt die empirische Erfahrungen unser Lebenswelt nicht immer zum Gedanke eines liebenden Vaters, der die Welt versorgt.((Vgl. dazu Burkhardt, Neuronale Theologie, 2018; §16.))
Deswegen ist es auch erklärlich, dass der Begriff Gott als Vater außerhalb der christlichen Religion und selbst noch im Alten Testament vage bleibt.
Es ist ja Problem des strengen Monotheismus, dass der eine Gott, sowohl für das Gute, wie für das Schlimme, was uns widerfährt verantwortlich ist.
Mit anderen Worten die empirische Basis ist nicht ausreichend genug, um einen stabilen virtuellen Begriff zu erzeugen.

Stabilisierung des Gott-Vater-Begriffes innerhalb der Trinitätslehre

Erst innerhalb des Gedanken der [[theologie:trinität|Trinität]] kann sich auch die Vorstellung von Gott dem Vater stabilisieren.

Jesu Verkündigung des Vaters

Jesus hat die Liebe Gottes gelebt und verkündet. Insofern gibt er Zeugnis von Gott als dem Vater. Dabei knüpft er an alttestamentliche Vorstellungen von Gott als dem Vater Israels an.
Mit anderen Worten Jesus erweitert die empirische Basis für den virtuellen Begriff "Gott Vater".2

Entlastung des Gottesbegriffes

Dadurch dass Jesus und der Heilige Geist eine eigene empirische Basis haben wird es nun möglich Gott Vater seine eigene von diesen unterschiedene Basis zu zu schreiben. Dadurch wird auch der vage Gottesbegriff als Vater wieder plastischer und greifbarer.
Martin Luther hat dies sehr schön in seiner Auslegung zum zweiten Glaubensartikel beschrieben.

Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder,Vernunft und alle Sinne gegen hat und noch erhält; dazu Kleider und Schuh,Essen und trinken,Haus und Hof,Weib und Kind,Acker, Vieh und alle Güter; mit aller Notdurft und Nahrung dieses Leibes und Lebens mich reichlich und täglich versorget

Martin Luther Kleiner Katechismus

Mit anderen Worten, weil Jesus für die Erlösung und der Heilige Geist für die Heiligung zuständig ist, kann Gott als Gott Vater wieder für die Schöpfung und Erhaltung zuständig sein. Dabei sind diese Funktionen nicht exklusive zu verstehen, die für sich alleine bestehen könnten, sondern sie verstärken sich in ihrer Wirkung gegenseitig. Als Erlöser und als Heiligender erweist sich der trinitärische Gott gerade als Schöpfer und Erhalter.

  1. Vgl. Burkhardt, Neuronale Theologie, 2018, S. 40. []
  2. Vgl. das Vaterprogramm, Burkhardt, Neuronale Theologie, 2018, S. 68 []