Offenbarung

Das Erkenntnisproblem

Neutrale Beurteilung ist nicht möglich

Die Neurologie neigt dazu, unsere Wahrnehmungen als das Produkt neuronaler Prozesse zu sehen. Damit taucht das Problem auf, ob unsere Wahrnehmungen der Wirklichkeit entsprechen. Um eine Übereinstimmung beurteilen zu können, bräuchten wir einen neutralen Beobachterstatus, der die Wirklichkeit und unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit zugleich wahrnehmen kann und miteinander vergleichen kann. Also eine Wahrnehmung der Wahrnehmung. Die Einnahme eines solchen Beobachterstatus ist aber nicht möglich. Wir kommen nicht aus unserer Haut heraus.

Evolutionäre Plausibilität

Das einzige, was hilft, ist die Annahme, dass unsere Wahrnehmung sich evolutionär entwickelt hat und sich an unsere Umgebung angepasst hat. D.h. ohne ein effektives Wahrnehmungssystem gäbe es uns gar nicht, wir wären längst schon ausgestorben. So müssen wir annehmen, dass wir von den meisten Dingen unserer Lebenswelt ein sehr genaue Wahrnehmung haben.

Empirische Begriffe

Diese Annahme kann für alle Gegenstände gelten, die wir auch konkret in unserer Lebenswelt empirisch nachweisen können, den sogenannten empirischen Begriffen. Beispiel dafür sind ein konkreter Baum, ein Auto, ein Hund etc.

Virtuelle Begriffe

Schwieriger wird die Annahme einer evolutionären Plausibilität schon für Begriffe, die wir nicht mehr direkt aus der Wahrnehmung erschließen können, deren virtuelle Annahme jedoch sinnvoll ist. Dazu zählen z.B. Begriffe wie Gesellschaft. Ich brauche schon sehr viele empirische Begriffe um diesen Begriff zu beschreiben, eben die Menschen, die Gesetze, die Verfassung usw. Zu den virtuellen Begriffen gehören auch Klassennamen, wie die Gattung Hund, die Gattung Auto als Fahrzeug. Aber auch ethische Begriffe, wie gut und böse, gerecht, weise etc.

Das Gottesproblem

primitive empirische Gottesvorstellung

Nur wenn ich Gott mit einer empirischem Begriff gleichsetze, ihn also mit einem Baum, einem Berg identifiziere, bräuchte ich mir um die Wirklichkeit Gottes keine Gedanken zu machen. Allerdings stehen auch in diesen empirischen Gottesvorstellungen die empirischen Gegenstände als Symbole für eine Wirklichkeit, die über den empirischen Gegenstand hinausreicht.

Gott als virtueller Begriff

So müssen wir davon ausgehen, dass in den meisten Fällen Gott als ein virtueller Begriff verstanden wird, also einem Begriff, der zwar aus der empirischen Wahrnehmung erschlossen wird, direkt aber nicht in der Wahrnehmung vorfindbar ist.

Evolutionäre Plausibilität

Ähnlich wie für alle Begriffe kann nun geschlossen werden, dass die virtuelle Annahme eines Gottes sich evolutionär entwickelt hat und für unser Überleben Vorteile gebracht hat.

Virtuelle Offenheit des Gottesbegriffes

Während für viele virtuelle Begriffe die empirische Basis eher breit ist, ist sie für Gott eher schmal. Sie beruht im Wesentlichen auf der Analyse der Natur als einer Schöpfung Gottes und die Empfänglichkeit der menschlichen Seele für Religiosität. Diese virtuelle Offenheit führt dazu, dass es multipel Vorstellungen von Gott gibt, die sich teilweise widersprechen. Dies führt zu einer Unsicherheit unseres eigenen Gottesbildes

Offenbarung als Selbstvergewisserung

Diese Unsicherheit wird nun in den konkreten Religionen durch die Vorstellungen der Offenbarungüberwunden. Gott gibt sich selbst zu erkennen und hilft damit dem Menschen, sich auf ein konkrete Vorstellung von Gott fest zu legen.

Was heißt Offenbarung neurologisch?

Offenbarung beruht auf neurologischer Begriffsbildung

Neurologisch muss Offenbarung in Zusammenhang mit der Begriffsbildung gesehen werden. Begriffsbildung beruht auf der Auswertung von Episoden.

Finden und Erweiterung von empirischen Begriffen

Offenbaren heißt zunächst etwas aufdecken, was zwar schon immer da war, aber eben nicht sichtbar war. Dies entspricht ziemlich genau dem Entdeckungsbegriff. Eine Tierart oder Pflanzenart war immer schon da, sie wird aber irgendwann einmal von einem Forscher entdeckt und ihr wird dann ein Name gegeben. Bei einer Entdeckung entsteht also ein neuer neurologischer Begriff, oder ein bereits vorhandener wird mit neuen Inhalten gefüllt oder verknüpft. Entdecken oder Aufdecken heißt also nicht, dass sich an der Wirklichkeit verändert, sondern das mein Bild von der Wirklichkeit verändert wird, indem es zu einer Begriffserweiterung kommt.

Findung virtueller Begriffe

Etwas komplizierter liegt der Fall bei der Findung virtueller Begriffe. Wie kommen wir darauf, dass es das Gute und das Böse gibt? Wie kommen wir darauf, dass es Gott gibt? Es muss hier tatsächlich einmal in der Menschheitsgeschichte einen Sprung von der empirischen Wahrnehmung hin zu einer virtuellen Welt gegeben haben. Diesen Sprung kann man als Geistesblitz, Erleuchtung oder eben Offenbarung verstehen. Aus der Vielzahl unterschiedlicher Wahrnehmungen ergibt sich plötzlich ein übergeordneter Begriff, der die Vielzahl empirischer Wahrnehmungen erklären kann.

Allgemeine Offenbarung Gottes

Es ist nun interessant, dass alle Naturvölker religiös sind. Der Atheismus scheint erst ein Problem von modernen entwickelten Gesellschaften zu sein.

Negative empirische Basis

Die gemeinsame empirische Basis für diesen allgemeinen Gottesbegriff ist eher schmal und sie beruht eher auf einem Nichtwissen, denn auf einem Wissen. Der Gottesbegriff setzt dort ein, wo empirische Wahrnehmungen nicht mehr weiterführen, der Mensch aber zum Leben und Überleben eine Erklärung braucht. Dies sind z.B. Fragen über

So hat sich zwar ein unterschiedlicher, aber doch vergleichbar Kanon an religiösen Themen herauskristallisiert((Vgl. zum Beispiel Mbinti, African religion, oder das religionsgeschichtliche Vergleichsmaterial zur Schöpfungsgeschichte in Westermann Claus, Genesis)). Reingösse Wissen wird dabei von Generation zu Generation weitergegeben. Oder es wird durch religiöse Spezialisten, wie Seher oder Priester vermittelt.

  • Geburt und Tod
  • Anfang und Ende der Welt
  • Anfang und Ende von sozialen Gruppen, wie Stämmen oder Großfamilien

Gottes Offenbarung im Alten Testament

Vom religionsgeschichtlichen Umfeld hebt sich die Gottesverehrung im Alten Testament ab. Sie wird entscheidend geprägt durch zwei Urereignisse, der Rettung aus Ägypten und der Offenbarung Gottes am Sinai mit der Überlieferung der zehn Gebote.

Offenbarung in geschichtlichen Ereignissen

Während sich der Glaube der umliegenden Völker auf eher mythische, vorgeschichtliche Episoden beruht, baut der Glaube Israels auf die in geschichtlicher Zeit begründete Errettung aus Ägypten auf.

Monotheismus oder Monolatrie

Ein weitere signifikantes Merkmal ist, das Israel dazu angehalten war nur an einen Gott zu verehren. In der Anfangszeit wurde die Existenz anderer Götter nicht bestritten, aber die alleinige Verehrung Jahres gefordert (Monoalatrie). Diese Entwicklung führt dann zur Entwarnung der anderen Götter als Götzen und zu einem konsequenten Monotheismus. Diese Monolatrie wurde zumindest in der Retroperspektive mit der Offenbarung Jahwes am Sinai und seiner Heilstat begründet. Damit wird deutlich, dass die geschichtliche Episode zu einer Fokussierung des Gottesbegriffes beigetragen hat. Die im Polytheismus mitschwingende Unsicherheit wurde im Monotheismus überwunden.

Gottes Offenbarung im Neuen Testament

Die Lebensgeschichte Jesu als empirische Basis

Das entscheidende was in den Evangelien des Neuen Testamentes hinzukommt ist die Lebensgeschichte Jesu. Sie besteht aus Episoden aus der sich eine Person erschließen lässt.

Weiterentwicklung des virtuellen Gottesbegriffes

Durch Jesus hat die Weiterentwicklung des virtuellen Gottesbegriffes einen enormen Anschub erhalten. Zunächst in der Entwicklung der Christologie und dann in der Trinitätslehre.

Mehr zum Thema Offenbarung finden sie in

Vernunft und Offenbarung