Was Kontrolle und Steuerung bedeuten, wird deutlich am Leben und Theologie des Apostel Paulus. Und wir finden hier viele Parallelen zu modernen psychologischen und neurologischen Erkenntnissen.
Paulus Leben und Theologie
Paulus war als Pharisäer ausgebildet, also ein Gesetzeskundiger, der sich im Gesetz auskannte und der sich auch selbst zur Einhaltung des Gesetzes verpflichtet sah.
Das Problem an Gesetzen ist, dass man immer einen Kontrolleur braucht, also eine Art Polizei und in dieser Eigenschaft wurde Paulus tätig.
Schon Jesus von Nazareth hatte die Pharisäer kritisiert und ihre Art der Gesetzesauslegung angegriffen. Deswegen wurde er angeklagt und mit Hilfe der Römer hingerichtet.
Paulus beteiligte sich nun an der Verfolgung der jungen christlichen Gemeinde.
Die Bibel berichtet, dass es vor Damaskus zu einer Begegnung mit dem auferstandenden Jesus kam. Dies änderte das Leben des Paulus nachhaltig.
Er entdeckt nun, dass es neben der Möglichkeit, das Leben durch Gesetze zu kontrollieren noch eine ganz andere Dimension gab, die ich als Steuerung bezeichnet. Paulus nennt sie „Leben aus dem Geist“.
In seiner Theologie muss er nun entfalten, wie dieses „Leben aus dem Geist“ aussieht und wie es sich zu dem Leben nach dem Gesetz verhält.
Die Rolle des Gesetzes nach Paulus
Das Gesetz tötet
Zunächst einmal sagt er sehr deutlich:
„Der Buchstabe (des Gesetze) tötet“ (2Kor 3,6)
Damit ist natürlich einerseits die Erfahrung gemeint, dass er durch das starre Festhalten am Gesetz selber zum Verfolger oder vielleicht sogar zum Mörder geworden ist.
Aber Paulus geht es nicht nur um dieses äußerliche Töten, sondern eben auch um die innerlichen psychischen Prozesse.
Innere und äußere Motivation
Ein Gesetz macht noch keinen guten Menschen. Es hat etwas mit extrinsischer Motivation und nicht mit intrinsischer Motivation zu tun.
Extrinsisch ist eine Motivation, wenn wir etwas wegen äußerer Gründe tun, also etwa Belohnung oder Bestrafung.
Intrinsisch ist eine Motivation, wenn wir etwas wegen innerer Beweggründe tun, also etwa Liebe oder innerer Überzeugung.
Ich tue, das Gute nicht, weil ich es wirklich will, sondern eben weil äußerer sozialer Druck mich dazu bringt. Entweder durch das Androhen von Strafe oder durch Verlust des sozialen Ansehens.
Und im Gegenteil. Die Formulierung eines Verbotes, erschwert mir seine Einhaltung, neurologisch betrachtet. Denn das Gehirn kann keine Verneinung denken. Das Verbot, du sollt nicht ehebrechen, führt mir ja gerade immer zu die Tat des Ehebrechens vor Augen.
Deswegen führt eine übertriebene Gesetzeshörigkeit zu schwerwiegenden Problemen. Nach Außen versucht man den „guten Menschen“ zu markieren, aber im Inneren brodelt und kocht es. Diese Situation führt aber noch mehr in die Kontrolle, weil man gezwungen ist, seine wahren Motive ständig zu unterdrücken. Paulus kann hier sogar von der „Knechtschaft“ des Gesetze sprechen.
Welche Funktion hat das Gesetzt bei Paulus
Paulus verwirft aber das Gesetz nicht vollständig. Es hat seine Funktion.
Es ist einerseits ein „Zuchtmeister“ (Gal 3,24), der uns auf das geistliche Leben vorbereitet. Das ist neurologisch insofern richtig, dass wir um überhaupt steuern zu können auf viele Routinen zurückgreifen müssen, die wir vorab durch kontrolliertes Lernen uns aneignen müssen.
Und das Gesetz ist notwendig zur Wahrung der öffentlichen Ordnung. Die Polizei kann aber nur durch Androhung und Ausübung von Gewalt das Böse eindämmen.
Deshalb kann man sagen, dass Paulus dem Gesetz nur eine Funktion bei der extrinsischen Motivation zu billigt. Die Frage der intrinsischen Motivation wird dadurch aber nicht ausreichend gelöst. Und es ist ein Wahn, sie durch extrinsische Motivation lösen zu wollen.
Denn erst durch die innere Motivation komme ich tatsächlich in den "Fluss", in ein geistliches Erleben.
Leben aus dem Geist
Ich möchte versuchen in aller Kürze einige Gesichtspunkte nachzuzeichnen, wie Paulus unter Leben aus dem Geist versteht.
Intrinsische Perspektiven
Nun berührt Paulus an zahlreichen Stellen die intrinisische Perspektive:
Röm 5.5 denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.
Er knüpft dabei an Traditionen aus dem AT an, die die Überwindung des Dilemma des Gesetzes durch eine Verinnerlichung sahen, z.B. Jeremia 31,33
Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben.
In diesem Sinn wird das Gesetz nicht mehr als etwas Äußeres gesehen, sondern als etwas Inneres.
Wie das gehen soll erklärt Paulus dadurch, dass wir selbst in unserem Inneren prüfen können, was Gut und richtig ist:
Röm 12,1 damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.
Dabei kann Paulus dann das ganze Gesetz unter der Liebe zusammenfassen:
Gal 5, 14 Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort erfüllt°: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!«a
Glaube und Kindschaft
Aber wie kommt es nun tatsächlich von der Kontrolle zur Steuerung?
An Stelle der Kontrolle durch das Gesetz brauchen wir Vertrauen, Glauben!
Gal 3, 25 Da nun der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister. 26 Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus.
Dieser Glaube begründet ein Kindschaftsverhältnis, im Gegensatz zu der Knechtschaft des Gesetzes.
Es gibt drei Möglichkeiten sein Vertrauen auszurichten:
- Vertrauen auf sich selbst
- Vertrauen auf Andere
- Vertrauen in die Welt oder auf Gott
Glauben an sich selbst
Nun könnte man modern diesen Glauben so auslegen, dass es dabei nur um ein gesunden Glauben an sich selbst und in die eigenen Fähigkeiten geht.
In der Tat muss ich mir selbst und meinen Fähigkeiten vertrauen, wenn ich mich selbst steuere.
Und das geschieht alles auf der Ebene des Unterbewusstseins.
Das ist wie beim Schwimmen. Ich kann das Wasser nicht kontrollieren. Ich muss mich ihm anvertrauen und vertrauen, dass meine Schwimmbewegungen reichen um mir genügend Auftrieb zu geben. Zweifele ich daran, dann gehe ich unter, wie Petrus, der versucht auf dem Meer zu gehen, weil ich dann versuche die Schwimmbewegungen willentliche zu kontrollieren, das geht aber meistens schief.
Übrigens so ähnlich wie beim Tanzen!
Das ganze hat etwas mit Leichtigkeit zu tun.
Mit einem kindlichen Tun ohne darüber nachzudenken.
Ich vertraue in das Boot, seine Ausstattung, sein Segel. Ich kenn seine Grenzen und Belastbarkeit.
Glaube an andere
Um an uns selber glauben zu können, brauchen wir andere die an uns glauben!
Wir brauchen den Zuspruch und die Ermutigung von anderen.
Wir brauchen Vorbilder.
Menschen die frei und lebendig sind und wo jeder sagt, so will ich auch sein wie der oder die?
Der Mensch ist eben mal ein soziales Wesen und hat eine soziales Gehirn.
Und wir lernen von anderen.
Glaube an Gott
Für ein Leben nach im Geist nach Paulus kommt noch eine andere Dimension hinzu:
Wir brauchen Glauben an Gott und an seinen Sohn Jesus Christus
Gal 3,25 Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus.
Bilder steuern das Gehirn
Zum Selbststeuerung braucht es starke Bilder:
Denn nur durch Bilder können wir unser Unterbewusstsein steuern.
Bilder sind die Sprache unseres Gehirns.
Paulus bietet uns so ein Bild an.
Gal 3,1 denen Jesus Christus als gekreuzigt vor Augen gemalt wurde?
In Christus kommt alles zusammen.
Er ist ein Mensch der frei vom Gesetz gelebt hat und doch das Gesetz erfüllt hat.
Er ist ein Vorbild im "geistreichen Leben"
Und durch seinen Tod am Kreuz gibt er uns die Möglichkeit, unsere innere Hindernisse zu überwinden.