Ich darf ihnen heute noch mal ein Buch vorstellen, was mich sehr bewegt und noch immer beschäftigt.
Es ist das Buch "Erfolgreich gegen Depression und Angst" von Dietmar Hansch.
Ich habe es schon einmal kurz vorgestellt. Heute geht es mir darum was die in diesem Buch Energiebilanz für unser Thema Selbststeuerung und Spiritualität zu tun hat.
Was ist Energie?
Zunächst was versteht der Autor unter „Energie“? Er versteht darunter „psychische Energie“ oder „Gefühlsenergie“, der für ihn der „Treibstoff des Lebens“ ist.
Was hat die Energieformel mit dem Thema Selbststeuerung zu tun?
Wenn die Steuerung des Selbst, etwas mit der Steuerung von Informations- und Engergieströmen zu tun hat, dann könnte die Energieformel von Hansch einen Beitrag dazu liefern, Selbstteuerung zu verstehen.
Die Energieformel selbst ordne ich in die Reihe von „Visualsierungen“ ein, die helfen können unser komplexen Selbst zu verstehen. Visusalsierungen und Modellbildungen müssen nicht unbedingt zu 100% empirisch belegt sein, sie helfen uns aber komplizierte Zusammenhänge zu verstehen und in der Praxis anzuwenden.
Hansch Energieformel ist dabei im Vergleich zu anderen Visualisierungen1 eher mathematisch abstrakt, eine Formel eben.
Hansch fasst dabei meiner Meinung gekonnt neurobiologische Erkenntnisse zusammen, hauptsächlich die über das Belohnungssystems und das Stresssystems. Allerdings sind seine Lösungsansätze, wie wir sehen werden eher kognitiv ausgerichtet.
Energieerzeuger und Verbraucher
In Hansch Energiesystem gibt es Energieerzeuger und Energieverbraucher.
Ziel einer Selbststeuerung ist es demnach möglichst viel Energie zu erzeugen und möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Wird mehr Energie verbraucht als Energie erzeugt wird, kommt es zu „Energiemangelzuständen“ und das macht uns anfällig für Depression und burnout.
Als Erzeuger von positiver Gefühlsenergie sieht Hansch vor allem das Belohnungssystem. Dies wird vor allem deutlich wenn er vom „inneren und äußeren Lohn“ spricht. Als Energieverbraucher sieht Hansch vor allem das Stressystem, wenn er von „Stressoren“ als den Energieverbrauchern spricht. Neurobiologisch ist das sicherlich eine vielleicht nicht zulässige Vereinfachung. Und auch Hansch würde vielleicht sagen, dass sich seine Ausführungen nicht allein auf auf diese beiden Basissysteme des limbischen Systems beschränken, doch ist der Zusammenhang unverkennbar.
Die Energieerzeuger
Der Äußere Lohn
Die entscheidende Erkenntnis auf der Energieerzeugerseite ist: Äußerlicher Lohn lässt sich nicht beliebig vermehren, weil sein neurobiologischer Effekt durch Gewöhnung abnimmt. Innerer Lohn dagegen schon.
Äußerer Lohn wird über Konsum und Status erzeugt, also z.B. durch Essen, Kauf von Statussymbolen etc. Tatsächlich erzeugt dieser Art von Genuss positive Gefühlsenergie und der Autor empfiehlt auch ganz bewusst das Leben in diesen Dingen zu genießen. Allerdings ist diese Energie nicht beliebig vermehrbar, weil sich die Energieausbeute mit der Gewöhnung nachlässt.
Der Innere Lohn
Reproduzierbar und damit zu einer unerschöpflichen Energiequelle wird dagegen der Innere Lohn, der durch „kohärente Gedächtnisstrukturen in denen Wissen und Kompetenz gespeichert sind.“ erzeugt wird
Als Beispiel nennt Hansch, Wissen in verschiedenen Fachgebieten, wie Philosophie Mathematik, aber auch die Fähigkeit komplexe Handlungen auszuführen, wie Tanzen, Geige spielen, ein Flugzeug zu fliegen u.a.
Diese „wachsenden Ordnungskerne“ im Gehirn bilden „Flowpotenzial“. Denn die Beherrschung dieser komplexen Fähigkeiten haben das Potential in sich, dass wir „ins Jetzt gesaugt werden“ und positive Gefühlsenergie gewinnen.
Zu beachten ist hier, dass es sich hier um einen Intervention auf kognitiver Ebene handelt. Zwar liegt das Erlernen von komplexen Handlungen im Bereich des prozeduralen Gedächtnis, jedoch erfordert gerade ihr Erlernen einen hohen kognitiven Aufwand!
Äußerer und innere Lohn und Spiritualität
Die Erkenntnis vom Verhältnis von äußerem und inneren Lohn ist nicht neu. Sie findet sich in vielen philosophischen und auch spirituellen Traditionen. Spirituell ist daran, dass Lebensinhalt und Lebenserfüllung des Menschen eben nicht nur von der Erfüllung materieller Bedürfnisse abhängen, sondern eben auch von inneren geistigen Strukturen. Diese fallen neurologisch gesehen, aber nicht vom Himmel, sondern müssen erlernt und eingeübt werden.
Energieverbraucher
Stressoren
Energieverbraucher sind nach Hansch „Stressoren“, alles das, was uns innere Energie kostet und da gibt es eine ganz Menge:
Dazu zählen äußere Stressoren, wie Kälte, Hitze, Lärm, Verletzungen, Hunger und Durst.
Aber auch der tägliche Stress, wie Missgeschicke, Pleiten, Pech und Pannen.
Dazu kommen „Sozialsystemische Außenstressoren“, wie sozialer Abstieg, Konflikte, Mobbing u.a.
An der oberen Skala stehen kritische Lebensereignisse und Wenden, wie Tod Nahestehender, Scheidung, Umzug, Krieg, Naturkatastrophen
Neben den äußeren Stressoren gibt es auch die inneren, wie traumatmische Erinnerungen, Erkrankungen, Schmerzen usw.
Eine erste Möglichkeit der Selbststeuerung bestehet darin, die Energiebilanz dadurch zu verbessern, soweit als möglich, äußere Stressoren zu reduzieren. Also Situationen mit einem extrem hohen Verbrauch an psychischer Energie zu meiden.
Stressmodulatoren
Die Frage ist nun, wie wir den Stress reduzieren können, dort wo wir äußere Stressoren nicht einfach reduzieren können.
Entscheidend ist dabei die Erkenntnis, dass es von unser Bewertung abhängt, ob ein Außenreiz zu einem Stressor wird oder nicht.
Hier geht Hansch meiner Meinung zu wenig auf unsere verschiedenen neurologischen Bewertungssysteme ein. sein Ansatz ist zu kognitiv.2 Denn die spontanen emotionalen Stressbewertungen werden aus unserem emotionalen Erfahrungsgedächtnis gespeist. Und auch die von ihm als Stressmodulatoren angeführten „Verhaltensmuster“ sind tief mit unseren Erinnerungen verwoben.
Der von Hansch beschriebene Prozess, „sich diese Muster bewusst zu werden“ und dann danach „zu fragen, ob sie nützlich“ sind ist sicherlich auf kognitiver Basis möglich, erfordert aber aus meiner Sicht wie schon das erlernen komplexer Bewegungsabläufe einen hohen kognitiven Aufwand und viel Selbstdisziplin.
Im Einzelnen führt Hansch hier auf auf:
- Talente, Stärken und Charaktereigenschaften, die dazu beitragen Stress zu reduzieren
- Kompetenzen und Wissen, die mir helfen mit Stress um zugehen.
- Verhaltensmuster, Denkmuster, Denkfehler und Lebenshaltungen, die entweder den Stress verstärken oder helfen ihn abzubauen.
Für die Selbststeuerung würde das bedeuten, dass wir Muster, die den Stress vermehren reduzieren müssen und Muster, die den Stress vermindern vermehrt aktivieren müssen.
- vgl. z.B. die Vorstellung des Gehirns als Bühne bei David Rock, Brain at work [↩]
- vgl. dazu die Äußerung von Hansch, der die Bedeutung von „längst vergessenen Traumata“ oder „verborgenen Konflikten“ nur für besonders gelagerte Fälle gelten lassen will in Abschnitt „4.2 die Energieformen“. Dies zeigt sich m. E. auch im Folgekapitel, in dem Hantsch die Prinziepen der psychischen Veränderung beschreibt und dabei auf drei Methoden abzielt: 1. Bildung von Kohärenz. 2. Wiederholung 3. Erfahrung [↩]