Gefühl

Die Bedeutung des Gefühls für die Wahrnehmung und Erinnerung

Die fortlaufende Speicherung des kompleten Datenstroms der Wahrnehmung würde aber auf Dauer unser Gehirn komplett überlasten. Es muss zu einer selektiven Strukturierung dieser Wahrenhmung kommen und zu einer handhabaren Struktur. Wir brauchen also weitere neurologische Ordnungsprinzipien. Einer dieser Ordnungsprinzipen, die von der klassischen Philosophie weitgehend überstehen wurde ist das Gefühl. Innerhalb von ca. 2 Sekunden erhalten wir zu jeder Wahrnehmung eine Gefühlsreaktion, die eine erste Bewertung der Wahrnehmung ermöglicht. Wahrnehmungen mit starken Emotionen werden gespeichert, Wahrnehmungen mit weniger starken Emotionen geraten in Vergessenheit. Diese gespeicherten Emotionen stehen dann als emotionales Gedächtnis zur schnellen Neubewertung von Situationen zur Verfügung. Im Tierreich nennt man das Instiktsteuerung. Um Bild zu bleiben, unser digitale Mehrfachaufzeichnung bekommt durch das Gefühl eine „Musikspur“, die den Gefühlsmoment jeder Szene beschreibt und festlegt. Durch diese Gefühlsspur wird unsere ganze Wahrnehmung strukturiert, so wie auch die Musik durch wiederkehrende Motive, durch laut und leise einen Film strukturiert und Akzente setzt. Gefühle sind sozusagen der sechste Sinn, der unsere empirische Wahrnehmung zusätzliche strukturiert und gliedert und gleichsam die für unser Leben bedeutsamen Elemente betont und herausfiltert.

In der bisherigen Philosophie wurden die Gefühle oft verachtet. Sie galten als Hinderungsgrund für das wahre Denken. Im Gegensatz dazu gibt es aber ein Denken aus dem Bauch heraus, dass eine größere Rolle spielt als wir uns das vorstellen. Dies wird auch als emotionale Intelligenz bezeichnet.

Für die Gefühle gilt das, was wir oben schon über die anderen Spuren der Wahrnehmung gesagt haben. Ohne Gefühle ist eine Wahrnehmung unvollständig. Gefühle müssen deshalb bei einer guten Darstellung in Text oder Bild evoziert werden. Eine Information ohne Gefühlskomponente gibt es nicht.

Gefühle als handlungsleitende Komponente

Das Gefühl hat aber im Gegensatz zur reinen empirischen Wahrnehmung eine handlungsleitende Komponente . Da heißt es sortiert bereits unmittelbar nach der Wahrnehmung Handlungsoptionen aus. Im Bild gesprochen: das Gefühl ist wie ein Stellwerk, es bahnt bereits bestimmte Gleise vor. Folgt man diesen Gleisen kommt es zu einer sogenannten Kurzschlussreaktion, also einer Handlung ohne Nachzudenken, auch Handlung im Affekt genannt. In einem anderen Bild: Gefühle sind wie eine Schnellkasse, man wird sehr schnell durchgewunken ohne lange Anstehen zu müssen. Allerdings ist diese Schnellkasse oft kaputt, weil dann in unserem Gefühl quasi gefangen und finden dann den Ausgang aus der Schnellkasse nicht mehr.

Neurologische Bedeutung der Gefühle

Gefühle sind ein mächtige Komponente unseres Gehirn. Die Wirklichkeit wird erkenntnistheoretisch vorstrukturiert, in erstrebenswert oder nicht erstrebenswerte Wahrnehmungen. Dass es beim Schnelldurchgang nicht immer ganz genau zu geht dürfte auch der Grund dafür sein, warum die Philosophen versucht haben sich gegen die Herrschaft des Gefühls zu wehren. Allerdings hilft gerade dort das Gefühl weiter, wo ein logische Analyse aller Fakten uns heillos überfordern würde. 

Bedeutung der Gefühle für komplexe Entscheidungen

Beispiel Autokauf, wir können zwar zum Teil alle nötigen Einzelfakten analysieren, aber letztlich sind wir für die letzte Kaufentscheidung auf unser Gefühl angewiesen. Das weiß auch die Werbung und versucht entsprechend unser Gefühl auf eine bestimmte Austomarke vorzuprogrammieren. Ganz besonders gilt dies für äußerst komplexe Entscheidungen, wie die Berufswahl oder die Partnerwahl. Hier reichen Vernunftgründe eben nicht aus, sondern wir müssen dabei auch ein gutes Gefühl haben.

Soziale Bedeutung von Gefühlen

Gefühle pflanzen sich sozial fort. Ein trauriger Mensch kann einen ganzen Saal voller Menschen traurig machen und ein fröhlicher Mensch kann das Gegenteil bewirken. Soziale Wirklichkeit konstituiert sich über Gefühle. Fühle ich mich in der Gemeinschaft von Menschen angenommen, dann will ich dazu gehören. Fühle ich mich eher an den Rand geschoben, dann will ich nicht dazu gehören.

Theologische Bedeutung von Gefühlen

Gefühle und Gott

Das gilt natürlich auch für die Gottesfrage. Einen Gottbegriff ohne Gefühl gibt es nicht. Diese Sichtweise ist in der Theologie lange vernachlässigt worden. Gott war nur ein Verstandesbegriff ohne Gefühlswert. Die charismatischen Bewegungen versuchen darauf eine Antwort zu geben. Bei ihnen spielen Gefühle eine große Rolle

Gefühle und die Kirche

Stärker noch als bei der Gottesfrage zeigt sich die Bedeutung von Gefühlen bei der Kirchenfrage. Fast jeder Mensch hat in unseren Breitengraden schon Erfahrungen mit Kirche gemacht und all diese Erfahrungen haben einen Gefühlswert. Die individuelle Sichtweise jedes Menschen ist entscheidend dadurch geprägt, ob diese Erfahrungen emotional positiv oder negativ waren.