Mensch

Kann man neurologische Erkenntnisse und biblische Theologie zusammendenken?
Der Artikel deckt Zusammenhänge zwischen der neurowissenschaftlichten Sicht des Menschen und biblischer Theologie auf.

Die folgenden Notizen sind Kommentare zu meinem Heft der Mensch und seine Erlösung.

Dieses Heft gehört zu meiner Reihe "Krisis des Denkens" in der ich eine Art Normaldogmatik entworfen habe
Die folgende Ausführungen sind eine erste Skizze die als Ergänzung zu dieser "Normaldogmatik" gedacht sind.

Der Mensch aus neurowissenschaftlicher Perspektive

( vgl. Der Mensch und seine Erlösung S. 4)

Die neurologische Forschung hat unser Bild vom Menschen verändert

Durch die neurologische Forschung hat der Mensch in den letzten Jahren viel Neues über sich selbst herausgefunden. Die Neruologie ist auf dem besten Wege zu einer neuen Schlüsselwissenschaft zu werden, an der sich auch andere Wissenschaften orientieren müssen. Die Fülle der Befunde ist allerdings erdrückend.

Der Mensch als Komplexes System

Systemische Modellbildung

Um die Ergebnisse auswerten zu können, ist die Wissenschaft auf Modellbildung angewiesen.
Ein mögliches Modell ist es den Menschen und sein Gehirn als komplexes System zu verstehen. Damit werden theoretische Anleihen aus der Systemtheorie übernommen.
Er ist damit kein lineares System wie ein Computer, bei dem bei einem Input ein bestimmter Output vorhergesagt werden kann.

Die evolutionsbiologische Schichtung des Gehirns

Dass der Mensch ein komplexes System ist wird sehr schön an der evolutionsbiologischen Entwicklung des Gehirn deutlich. In vertikaler Anordnung haben sich Stammhirn, Kleinhirn, Mittelhirn und Großhirn übereinander gelagert. Außerdem weisen viele Forschungsergebnisse darauf hin, dass vorgeburtlich und nachgeburtlich gerade wichtige Systeme des limbischen Systems im Mittelhirn sich individuell entwickeln und sich so Persönlichkeitsmerkmale herausbilden.

Pilot und Autopilot

Der Mensch als komplexes System das heißt, dass die unterschiedlichen Teilsysteme sich gegenseitig überlagern. Vereinfacht könnte man sagen: Wir haben einen Autopiloten, der sehr viele Prozesse automatisch steuert. Das hat seine Vorteile, allerdings lässt sich der Autopilot in den meisten Fällen gar nicht oder nur sehr schwer umprogrammieren, weil viele Prozesse eben auch unterhalb der Bewusstseinsschwelle ablaufen. Und wir haben als "Pilot" die Möglichkeit in gewissen Grenzen unser Leben selbst zu bestimmen und zu steuern.

Biblische Sicht vom Menschen

(vgl Der Mensch und seine Erlösung S. 6)

die Frage nach dem Selbstbild

Die biblische Lehre vom Menschen greift aus der Fülle der neurologischen Erkenntnisse einen Aspekt heraus. Es ist die Frage nach unserem Selbstbild . So wie wir uns von allen Dinge neurologisch ein Bild, also eine neuronale Reprästation machen, machen wir auch von uns selbst ein Bild.
Dieses Selbstbild scheint uns nicht vorgegeben zu sein. Unser Selbstbild ist zunächst eine leere Leinwand, die von unser immer wieder konstruiert und gefüllt werden muss und das lebenslang!
Es deutet vieles darauf hin, dass dieses Selbstbild durch soziale Interaktion entsteht. Wir brauchen andere, die uns sagen wer wir sind. Auch das ist eine Erkenntnis der Neurologie. Unser Gehirn ist ein soziales Gehirn und ist bei entscheidenden Prozessen sehr viel mehr auf andere Gehirne angewiesen, als uns das bisher bewusst war.

der Mensch ein Beziehungswesen

Insofern ist die biblische Aussage, dass der Mensch wesentlich durch Beziehungen geprägt ist, eine zulässige und auch notwendige Vereinfachung der Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften.
Dazu eine Anmerkung: Der ursprüngliche Titel meiner dogmatischen Vorlesungen heitß ja Krisis des Denkens. Unser Denken bietet uns ja fast unendliche viele Möglichkeiten und Optionen. Um Handeln und auch Überleben zu können, ist eine Entscheidung (Krisis) notwendig. Für diese notwendige Reduktion der Optionen will uns der christliche Glaube eine zuverlässige Grundlage geben.

die Beziehung zu Gott

Während die Tatsache, dass der Mensch ein Beziehungswesen ist, empirisch gut begründet werden kann, ist die theologische Aussage, dass die wichtigste Beziehung, die Beziehung zu Gott ist, eine spirituelle Erkenntnis. Sie ist damit eine virtuelle Aussage, die nicht direkt aus der Erfahrung abgeleitet werden kann. Sie macht jedoch auch aus neruonaler Perspektive Sinn.
Denn Angesichts der Vielzahl möglicher Beziehungen, stellt sich die Frage, welches denn die wichtigen, identitätsstiftenden Beziehung sind. Das sind natürlich zunächst Eltern, Lebenspartner usw. Doch auch diese Beziehungen können und müssen immer wieder in eine Krise geraten. Und so stellt sich die Frage nach der einen sinnstiftenden konstanten Beziehung. Außerdem gerate ich zu schnell in Abhängigkeiten wenn mein Selbstbild von der Beziehungen zu einigen wenigen Personen abhängt. Deshalb macht die virutelle neuronale Repräsentation eines Gegenübers, zu dem ich in Beziehung treten kann, Sinn. Sie verleiht meinem Identitätskern auf Dauer Konstanz und Beständigkeit.