Einfach erklärt: Neuronale Theologie

In diesem Seminar erklärt Pfr. Dr. Martin Burkhardt den Inhalt seines Buches "Neuronale Theologie". Er benützt dabei zahlreiche interaktive Übungen und Beispiele

Einleitung

Die Vermessenheit der Vermessung Gottes

Anfang der 2000er Jahre haben Neurologen versucht im Gehirn den Ort ausfindig zu machen, wo der Gottesgedanke entsteht.

Das war die sogenantte Neurotheologie.

Inzwischen hat sich die Diskussion in eine andere Richtung bewegt.

Und im Verlauf des Vortrags wird deutlich werden, dass wir an ganz verschieden Stellen im Gehirn Gott denken.

Brücke zwischen Neurologie und Theologie

Es gibt ein Art Feindschaft zwischen den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften, wozu auch die Theologie gehört.
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Die gegenseitigen Vorwürfe hören sich wie folgt an:

Die Philosophen werfen den Naturwissenschaftlern vor, das sie gar keine Aussagen über das individuelle seelische Erleben machen können.

Und umgekehrt werfen die Naturwissenschaftlern den Philosophen vor, das alles psychische Erleben und Denken eben auch auf neurologischen Grundprozessen aufbaut.

Ich bin da eher Pragmatiker: Lasst uns doch mal sehen, was es bereits an Ergebnissen gibt und was das für beide Wissenschaften bedeutet.

Und meine Mission ist es hier eine Brücke zu bauen.

Reduktion der Ergebnisse

Es wird sehr viel geforscht. Ergebnisse sind kaum noch zu überblicken.2

Ich habe in meinem Buch, drei Bereiche rausgegriffen, die relativ gut erforscht und gesichert sind.

  1. Unser Gehirn braucht zusammenhängende Strukturen.
  2. Das Gehirn ist ein soziales Gehirn.
  3. Denken findet nicht nur im Kopf statt.

Und was bedeutet das für mich als Theologen und als gläubigen Menschen, wenn ich Gott denke. Das mag etwa willkürlich sein, man könnte auch ganz andere Bereiche rausgreifen. Aber für mich war das sehr hilfreich.

Unser Gehirn braucht zusammenhängende Strukturen

Unser Gehirn ist darauf angelegt, Sachen zusammenzustellen und zu verbinden.3

Unser Gehirn braucht einen sinnvollen Zusammenhang.

Wozu brauchen wir das? Nur wenn wir einen sinnvollen Zusammenhang sehen, dann können wir auch sinnvoll handeln.

Wenn wir nur Chaos wahrnehmen, keinen Weg durch den Dschungel sehen, dann wird unser Gehirn „Angst und Verzweiflung“ melden.
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Was ist der neurologische Hintergrund?

Wir machen alle Erfahrungen, jeden Tag und bereits vor unser Geburt.

Diese Erfahrungen werden vom Hippocampus aufzgezeichnet, wie von einem Filmprojektor. Und der Hippocampus spult diese Erinnerungen im Traum, bewusst und unbewusst ab.

Ein Art inneres Kino.

Dabei wird unser neuronales Netzwerk trainiert, das vor allem in der Großhirnrinde sitzt.

Jede Nacht ist unser Gehirn dabei, die Erfahrungen zu sortieren und daraus sinnvolle Strukturen zu erschließen.

Aber Sinn ist nicht nur rein kognitiv, sondern es wird immer mehr klar, dass damit auch Emotionen verbunden sind.

Man geht heute davon aus, dass sich die Empfänglichkeit für einen bestimmten Sinn im Leben durch emotionale Schlüsselerlebnisse in der Kindheit und Teenagerjahre herausbildet.

Unser Gehirn ist ein soziales Gehirn

Schon Aristoteles hat gesagt, dass der Mensch ein soziales Wesen ein „Zoon politikon“ ist.

Die Gehirnforschung bestätigt das immer mehr.

Denn viele Gehirnfunktionen sind dafür ausgelegt mit anderen Menschen in Gemeinschaft zu leben.

Am bekanntesten sind wohl die sog. „Spiegelneuronen“ Durch sie sind wir in der Lage die Bewegung und Mimik andere Menschen nachzuspüren.

Dadurch können wir uns in sie hineinversetzen.

Was auch relativ klar ist, ist unsere Fähigkeit, Gesichter zu erkennen. Mittlerweile hat die Informatik diese Techniken nachgebaut, die sie heute in jedem Smartphone finden.

Wir haben mal, etwas salop gesagt, in unserem Gehirn eine Art Datenbank von den wichtigsten Personen: Eltern, Lebenspartern oder Geschwistern.

Das wird uns dann ganz besonders bewusst, wenn wir einen lieben Menschen verlieren. Er ist dann in unseren Gedanken noch präsent. Menschen in Trauersituationen haben oft das Gefühl, dass der Verstorbene gleich noch um die Ecke kommt. Sie können sich noch vorstellen, was er in bestimmten Situationen gesagt hätte. Manche führen sogar mit den Verstorbenen Gespräche.

Wir haben soviele Daten über eine Person abgespeichert auch emotionale.

Das ermöglicht es uns, soziale Situationen vorauszudenken, als auch hinterher zu reflektieren.

Stellen sie sich einen Lehrer vor, der seine Stunde vorbereitet.

Oder sie planen einen romantischen Abend mit iherem Partner.

Und hinterher überlegen sie, haben sie es richtig gemacht?

Sie spielen den Film immer noch mal ab.

Noch eine philosophische Randbemerkung. Wir leben seid gut 200 Jahren im westlichen Kulturkreis in einer Phase des Individualismus.

Wer wie ich in Afrika gelebt hat, weiß, dass der Individualismus auf den europäischen Kulturkreis beschränkt ist. In Afrika heißt ein Sprichwort „Der Mensch das sind die Menschen“. Ein Mensch definiert sich durch die anderen Personen.

Denken findet nicht nur im Kopf statt

Das ist ja auch anatomisch richtig.

Es ist zwar so, dass die meisten Nervenzellen im Gehirn sind. Aber dieses Gehirn ist über das periphäre Nervensystemen mit dem ganzen Körper verbunden.

Unser Körper wird nicht nur durch die Nervenleitungen gesteuert, sondern auch über die Hormone, die z.B. über den Blutkreislauf transportiert werden.

Es gibt darüber natürlich viele Bücher, z.B. „Darm und Hirn“. Der Darm scheint hier eine ganz besondere Funktion zu haben.

Das ist noch mal eine sehr interessante Richtung, weil wir in den letzen Jahren ganz neu gelernt haben, auf unseren Körper zu achten.

Die Signale des Körpers wahrnehmen.

Man spricht von „somatischen Markern“

Der Körper teil uns etwas mit, was für uns wichtig ist.

In welchem Zustand befindet sich der Körper.

Sind wir wach, sind wir schläfrig, sind wir hungrig, sind wir innerlich erregt.

Haben wir das Gefühl einer „Einheitserfahrung“

Das sagt alles etwas über uns aus.

Das weitere Vorgehen

Soweit die Einleitung zu den drei Teilen.

Ich werden nun diese drei Teile auf die Frage hin abklopfen, was sie bedeuten, wenn unser Gehirn Gott erfasst.

Ich werde sie dabei etwas einbeziehen, mit einigen kleinen Gedankenanstößen, wo sie sie sich selbst etwas einordnen können.

Vorbemerkung zu den Übungen:

Jeder darf hier unterschiedlich denken und entscheiden.
Es geht nicht um richtig oder falsch.
Ziel ist es wahrzunehmen, wie denken wir eigentlich.
Erst wenn wir wahrnehmen wie wir selber denken, dann können wir auch verstehen, wie andere denken und auch sinnvoll diskutieren.

Auch das ist eine neurologische Erkenntnis: Gehirne sind zum Denken da und wenn sie die ganze Zeit nur zuhören, dann besteht die Gefahr, dass sie abschalten oder noch schlimmer einschlafen!

Am Schluss gibt es dann noch ein Fazit.

Welche Rolle spielt Gott bei der Sinnfindung?

Wahrnehmen wie unser Gehirn auf Veränderungen reagiert

Bei der ersten Übung geht es darum wahrzunehmen, wie wir auf Unerwartetes reagieren. Denn genau dann fängt uns Gehirn zu arbeiten an. Bleibt alles so wie es ist, da gibt es zu mindestens bewusst oft keine Reaktionen dazu. Wir sind darauf programmiert, auf das Unerwartete zu reagieren. Für alles was „normal“ funktioniert hat unser Gehirn einen recht komfortablen „Automatismus“ entwickelt.

Wenn unser Gehirn also „aufwacht“ und uns sagt, da ist etwa Neues, dann müssen wir an dieser Stelle einen neuen Sinnzusammenhang konstruieren. Und die Frage ist, welche Rolle spielt Gott dabei?

Die Frage nach Krieg und Frieden

Wählen wir etwas, was uns seit März 22 alle in gleicher Weise betrifft.. Wir sind mit einem Krieg in Europa konfrontiert. Ich biete ihnen drei Alternativen, wie wir damit umgehen können. Ich bin mir natürlich bewusst, dass es noch wesentlich mehr Möglichkeiten und Varianten gibt. Aber versuchen sie sich mal eine der folgenden Aussagen zuzuordnen, welches für sie am meisten zutrifft:

  1. Es gibt für den Krieg keine Erklärung. Der Krieg ist unerklärlich.
  2. Menschen sind böse und es wird immer Krieg und Streit geben.
  3. Gott wird am Ende Frieden schaffen

Konsequenzen für das Handeln

Je nachdem, welche Option sie gewählt haben, kann das dann Auswirkungen auf ihre Handeln oder ihre politische Perspektive haben.

ad 1) Sie werden hauptsächlich auf der humanitären Ebene handeln

ad 2) Wenn Menschen böse sind, dann ist das auch eine Rechtfertigung zur Eindämmung von Gewalt wieder Gewalt einzusetzen. Im Sinne von Römer 13 und der Zwei Regimentenlehre von Martin Luther.

Röm 6:4 Denn sie (die Obrigkeit) ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst: Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht das Strafgericht an dem, der Böses tut.

Dann werden sie prinzipiell die Waffenlieferung an die Ukraine befürworten.

ad 3) Wenn Gott Frieden schafft, dann bin ich auch aufgefordert im Sinne der Bergpredigt Frieden zu schaffen.

Matt 5,9 Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.

Dann stehen sie eventuell Waffenlieferungen kritisch gegenüber.

Welche Rolle spielt Gott in unserem sozialen Netzwerk

Beginnen wir hier gleich mit der Übung

  1. Ich bin von Gott geschaffen und sein Ebenbild
  2. Gott ist mein guter Freund, mit dem ich über alles reden kann.
  3. Ich muss mich vor Gott verantworten

Mehrfachnennungen sind natürlich möglich, aber vielleicht können sie sich doch für einen Punkt entscheiden, der für sie am meisten zutrifft.

Wie ich bereits eingangs sagte, haben wir eine Art „Beziehungsnetzwerk“ in unserm Gehirn, von den Personen die uns wichtig sind. Und zu jeder Personen, sind Bilder, vor allem das Gesicht, Erlebnisse, Emotionen und vieles mehr gespeichert.

Wie kommt Gott nun da hinein?

Wir haben es ja beim Gott der Bibel mit einem persönlichen Gott zu tun, mit dem wir reden können. Dazu zwei Anmerkungen:

  1. Bilderfrage
  2. Atheismus

Die Bilderfrage

Ganz spannend ist hier natürlich die Bilderfrage, die ja bereits im AT in den 10 Geboten abgelockt wird: „Du sollst die kein Bildnis machen“

Im Laufe der Theologiegeschichte ist das dann immer heftig diskutiert worden und es hat immer wieder Bilderstürme gegeben, bei dem Bilder zerstört worden sind.

Aber das Argument, durch das die Ostkirche die Ikonenmalerei rechtferigt und dem Martin Luther dann auch gefolgt ist, besteht darin, dass wir in Jesus Christus Gott sehen können. Deswegen ist auf Grundlage des NT das Bilderverbot des AT aufgehoben und Martin Luther hat, wie sie vielleicht wissen, dieses Verbot nicht in den Kleinen Katechismus übernommen.

Dadurch ist es wieder legitim, dass wir uns ein Bild von Gott machen. Und wir verwenden dazu keine anderen neuronalen Mechanismen, die wir auch bei anderen Personen verwenden.

Wir können Gott, lieben oder hassen, ein gutes oder schlechtes Gefühle zu ihm haben, eben wie bei allen anderen Beziehungen auch, in dem wir stehen.

Aber wie bekommen wir ein Bild von Gott?

Am ehesten geschieht das durch die Evangelien, wo wir Jesus sehen.

Aber daneben natürlich von ganz vielen Erfahrungen mit Kirche, mit Personen, die uns Gott vermittelt haben.

Atheismus

Selbst der Atheist definiert sich über eine Negativaussage. Nun wissen wir neurologisch, das Verneinungen nicht möglich sind. Sagen sie z.B. „Ich esse keine Schockolade“, dann rufen sie das Bild von Scholckoldade ab, dass dann meist viel Stärker ist als die Verneinung. Also wenn ich mich selbst als Atheist bezeichne, dann bejahe ich im Prinzip den Gottesgedanken. Die einzige Alternative wäre, es dann Gottesgedanken ganz aus dem menschlichen Denken zu streichen, aber das ist bis jetzt zum Glück noch nicht gelungen.

Gott im Körper wahrnehmen

Wahrnehmung von Personen mit dem Körper

Die dritte Übung schließt ganz eng an die zweite an.

Wenn sie eine Person wahrnehmen, dann erzeugt das in ihrem Körper Gefühle.

Klassisches Beispiel wären die Schmetterlinge im Bauch bei Verliebten.

Das spüren sie nicht im Kopf sondern im ganzen Körper.

Das ist. Freude, Erregung...

Auf der anderen Seite, wenn sie einer Autoritätsperson begegnen, vor dem sie Angst haben, dann habe sie ein schlechtes Bauchgefühl oder an irgendeiner anderen Stelle im Körper. Klassisches Beispiel wäre hier der Lehrer.

Übung: Was spüren sie, wenn sie an Gott denken
Für diese Übung müssen wir etwas in uns hineinspüren, deswegen am Anfang eine kleine Aufmerksamkeitsübung:
Setzen sie sich möglichst aufrecht auf den Stuhl.
Die Füße parallel auf den Boden
Die Hände locker auf dem Schoß liegend oder zur einer Schale gefaltet.
Spüren sie wie ihre Füße Kontakt zum Boden haben.
Erspüren sie den Kontakt ihrer Sitzhöcker zum Stuhl
Spüren sie nun ihren Atem.
Lassen sie ihn ganz bewusst ein und ausströmen
Denken sie nun an Gott.
Welche Bilder oder Gedanken kommen ihnen in den Sinn.
Nehmen sie diese Bilder und Gedanken kurz wahr und schenken ihnen Aufmerksamkeit
Lassen sie die Gedanken und Bilder wieder los und spüren tiefer in ihren Körper hinein.
Was nehmen sie war?
Jetzt dürfen sie die Augen wieder öffnen.

Was würde am ehesten ihre Körpererfahrung beschreiben?

  1. spüre ich Frieden
  2. eine tiefe innere Unruhe
  3. gar nichts

Spiritualität und Körperwahrnehmung

Spiritualität hat sehr viel mit Körperwahrnehmung zu tun.

Z.B. beim Pilgern, für das die Jakobskirche einsteht.

In der Meditation geht es bei vielen Übungen darum den Körper wahrzunehmen

  • Atemübungen
  • Bodyscan etc

Ist das eine Gotteserfahrung?

Kann ich über meinen Körper Gott erfahren?

Theologisch ist das durch das NT begründet: Wir sind ein Tempel des Heiligen Geistes.

Das ist tief im Gedanken der Inkarnation/Menschwerdung Gottes begründet. Wenn Jesus im Stall von Bethlehem auf die Welt gekommen ist, dann kann er sich auch in der armseligen Hütte, die mein Körper ist, niederlassen.

Negative und positive Gefühle

Unser Gehirn erinnert sich. Es speichert wichtige Erinnerungen in Form von Gefühlen ab. Das nennt man somatischer Marker. Und interessanterweise, sind die negativen somatischen Marker, die negativ sind, leichter wahrnehmbar und stärker.

Das macht auch Sinn: sie lösen eine Angstreaktion aus, die nicht übersehen werden darf.

Wenn sie einen Säbelzahntiger sehen, dann dürfen sie nicht im Kopf drüber nachdenken, sondern sie müssen spüren, was zu tun ist. Davonlaufen, bzw wenn sie ganz mutig und verrückt sind angreifen.

Im umgekehrten Fall hat man meistens mehr Zeit, z.B. bei der Partnerwahl. Aber oft ist es hier schwierig positive Gefühle zu entwickeln und dauerhaft zu behalten.

Wir werden eben von den negativen Gefühlen stärker geleitet als von den Positiven.

Bedeutung der Gefühle für die praktische Theologie

Genau wie bei jeder anderen Person auch, haben wir, wenn wir an Gott denken, Gefühlsreaktion am ganzen Körper.

Das ist für die praktische Theologie eine ungeheure Herausforderung.

Sie können nun im Religionsunterricht oder bei Gottesdienstbesuchern machen was sie wollen, die negativen Gedanken, die sie über Gott und Kirche haben, sind viel stärker als die Positiven.

Und das ist ja auch, was wir gerade durch die Austrittswellen erleben.

Sie müssen ein Vielzahl mehr an positiven Emotionen generieren, um die negativen emotionalen Folgen des Mißbrauchsskandals zu überwinden, wenn das überhaupt so einfach möglich ist.

Ruhe im Gedankensturm

Wir haben so viel neuronale Kapazitäten, dass wir gleichzeitig Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft uns vorstellen können.

Und dann meist noch mehrere Versionen derselben, ganz besonders bei der Zukunft.

Wir leben natürlich in der Gegenwart. Aber wir können uns auch immer wieder in die Vergangenheit versetzen und uns erinnern.

Auch die Vergangenheit ist nicht eindeutig. Wir versuchen immer wieder zur rekonstruieren und zu ordnen. Aber auch unsere Bild von der Vergangenheit ist nur ein Konstrukt, das wir immer wieder durchdenken und ordnen müssen.

Und bei der Zukunft wird ganz schlimm: Wir können uns mehrer mögliche Abläufe der Zukunft vorstellen.

Wir können das jetzt noch weiter aufblähen, wenn wir die verschiedenen Bedürfnisse und Motive, die in unserem Denken eine Rolle spielen, dazunehmen.

Das alles tobt in unserem Gehirn, weil wir so eine große Rechenleistung haben.

Wenn das außer Kontrolle kommt, dann verlieren wir leicht auch unsere psychische Gesundheit. 5

Und wir sehnen uns deshalb nach Einheit und Frieden.

Und diese Erfahrung, den Frieden zu finden, ist eine ganz entscheidende religiöse Erfahrung.

So ist das klassische Bekehrungserlebniss Ausdruck des Friedens- Finden.

Beispiel: Augustin nach Jahren des Hin und Hergerissen seins, zwischen Manichäern und den christlichen Glauben seiner Mutter, findet er endlich Frieden.

Das ist aber eine Ganzkörpererfahrung. Plötzlich (er) löst sich in mir etwas und ich spüre die Einheit in mir.

Fazit : Konsequenzen für die Theologie

Die Beschäftigung mit dem Gehirn ist fruchtbar für die Theologie, weil sie uns helfen kann die Relevanz theologischer Aussagen und natürlich auch von Predigten zu überprüfen.

Wenn Martin Luther sagt: „Man muss dem Volk aufs Maul schauen“, dann müsste man heute sagen: „Mann muss den Menschen ins Gehirn sehen“

Um zu sehen, wo sind Menschen überhaupt für Gott ansprechbar.

Ich gehe noch einmal auf die drei Bereiche ein

Theologie muss die Sinnfrage klären

Theologie muss Sinn machen.

Die Tendenz geht aber hier dazu, dass Sinn nicht mehr ein starres Gebäude von dogmatischen Aussagen ist, in die man sich einfügen kann oder nicht.

Sinn ist sehr stark mit dem eigenen Leben und den Emotionen verbunden und verwurzelt.

Und wir sind hier auf einem guten Weg, wenn wir sehr stark biographisch arbeiten, durch die Kasualien oder die Wegbegeitung an Lebensübergängen.

An diesen Wegpunkten muss der Mensch die Sinnfrage neu beantworten und sein Leben neu strukturieren.

Allerdings müssen wir eben auch sagen, dass jedes theologisches System auch ein brüchiges Gebäude ist.

Deswegen muss sich Theologie auch mit dem Zerbruch und dem Zweifel beschäftigen.

Wie geht man damit um?

Da gibt es natürlich auch viel klassische Ansätze:

Man denke an Martin Luthers, der ja auch über die Versuchung „tentatio“ gesprochen hat.

Wenn man nun diesen Maßstab an zentrale christliche Aussagen anlegt, dann muss man sagen, dass Jesu Tod am Kreuz für viele vielleicht unverständlich, aber doch letztlich in der Tiefe die Frage nach dem Sinn des Lebens beantwortet. Aber das war schon damals für die Griechen eine Torheit. Also auch diese letzte Antwort ist umstritten.

Theologie muß Identität stiften

Als zweites geht es um die „Person“- frage und wenn man das noch mal ummünzt, geht es um die Frage nach unserer Identität.

Das hat Martin Buber durch seine Philosophie angeregt, aber auch die Psychologie bestätigt das: Ein „Ich“ entsteht nur durch ein „Du“.

Im Wechselspiel mit dem „Du“ bildet sich das „Ich“ aus. Zunächst in der Beziehung zu den Eltern, dann mit denen der Peergroup, und dann mit dem Lebenspartner.

Welche Rolle spielt Gott in diesem Prozess?

Wo erleben wir Gott als das „Du“? Ich kann Gott ja nicht anfassen. Ich kann zu ihm ja nicht so eine emotionale Beziehung aufbauen, wie zu meiner Mutter oder meinem Vater oder meinem Partner. Die kann ich herzen und liebkosen

Gott muss ich immer imaginieren,

  • dass er bei mir ist
  • dass er mich bei der Hand hält
  • dass er da ist

Das ist die Grenze. Natürlich möchte ich in meinem Glauben mit Gott vereinigt sein.

Ich möchte Jesus, wie bei den Jüngern, nachfolgen, ihn drei Schritte vor mir haben.

Aber das geht nicht.

Und das ist für viele Menschen schwierig, die lieber das Konkrete suchen.

Das spezifisch Christliche ist , dass Jesus das wahre Ebenbild Gottes ist. Das ist hier die zentrale Aussage, die diesem Kriterium genügt.

Kol 1,15 Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung.

Theologie muss leibhaftig sein

Kommen wir zum letzen und vielleicht schwierigsten Punkt.

Die Frage nach der Wahrnehmung des eigenen Körpers.

Dann muss man sagen, das Theologie körperhaltig oder körperhaftig oder um das alte Wort „Leib“ zu verwenden, „leibhaftig“ sein muss.

Wenn sie ein theologisches Buch lesen, haben sie ein Buch.

Selbst wenn sie die Bibel lesen haben sie ein Buch.

Das ist buchhaftig oder worthaftig, aber noch nicht leibhaftig.

Und das ist von vielen Theologen ja auch schon bemägelt worden, dass die Frage nach dem Hl. Geist lange Zeit in der protestantischen Theologie vernachlässigt worden ist.6

Natürlich haben wir in unser Tradition und Praxis Dinge, wo es leibhaftig wird:

Das Abendmahl ist hier an erster Stelle zu nennen.

Im klassischen lutherischen Gottesdienst ist es der Gemeindegesang, wo wir zu einem Klangkörper werden.

Und natürlich ist das Erleben von Gemeinschaft etwas leibhaftiges. Ich erlebe in der Gemeinschaft den Leib Christi. Eine der zentralen Aussagen der paulinischen Theologie

z.B.: 1 Kor 12,27 Ihr aber seid der Leib Christi und jeder von euch ein Glied.

Hier besteht von Seiten der Theologie noch viel Nachholbedarf.

Wir sind natürlich auf einem guten weg, dass wir mehr körperbezogene Angebote machen, wie Pilgern und Meditieren.

Aber wir kommen aus einer protestantischen Tradition, die sehr verkopft ist und das lange verdrängt hat.

  1. Die Feinschaft hat geschichtliche Wurzeln: Bis Anfang des 20 Jh. sind Philosophie und Naturwissenschaften Hand in Hand gegangen und dann hat sich die Philosophie hauptsächliche auf Sprachphilosophie zurückgezogen und hat die Frage nach Metaphysik und Naturphilosophie weitgehend aufgegeben.[]
  2. Ich selber bin Mitglieder der Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagment (AFNB) Die Akademie hat sich zum Ziel gesetzt, neurowissenschaftliche Ergebnisse vor allem für Coaches und Trainer aufzuarbeiten und bietet regelmäßig Schulungen und updates an.[]
  3. Man spricht in Fachbücher von Kohärenz oder Konsistenz. Daher kommt auch das Wort „System“ aus dem Griechischen. Das heißt einfach „Zusammengestelltes“[]
  4. Das ist natürlich auch schon lange bekannt. Denken sie an Viktor Frankl, den Begründer der Logotherapie. Er hat als jüdischer Psychiater das KZ überlebt und darüber ein Buch geschrieben. Er geht davon, dass psychische Erkrankungen auch dadurch hervorgerufen werden, weil Menschen keinen Sinn mehr in ihrem Leben erkennen können.[]
  5. So spricht Klaus Grawe in seinem Buch „Neuropsychatrie“ vom Kohährenzmechnismus als einer wichtigen Basisfunktion für die psychische Gesundheit.[]
  6. Es gibt eine Bemerkung von K. Barth am Ende seines Schaffens, dass er eigentlich seine vielbändige Dogmatik noch einmal neu schreiben und vom Geist her entwickeln müsste.[]